UrsprungUrsprung
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Referenzen:
Pantha Du Prince, Kraftwerk, Durutti Column, Manuel Göttsching, Tangerine Dream
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Autor: |
Till Strauf |
Der Begriff „kosmische Musik“ hat, wohl nicht zuletzt Dank Julian Copes seit Mitte der 1990er weitreichend rezipierten Plattenführers, auch in den Sprachschatz englischer Journalisten und Fans als wenig explizite Unterkategorie zur zumindest geografisch verortbaren Genrebezeichnung „Krautrock“ Eingang gefunden.
Auch Ursprung, das neue Projekt von Hendrik Weber, dürfte an mancher Stelle mit besagtem Adjektiv bedacht werden. Die Bestätigung, dass die elektronischen Experimente und Spielereien deutscher Avantgarderocker (aus denen sich, vereinfacht gesagt, das entwickelte, was wir heute Techno nennen) auch für Webers musikalisches Schaffen von großer Bedeutung sind, kann nicht sonderlich überraschen. Waren mit jenen Gruppen assoziierte Idiome seit jeher in Webers durch Field Recordings, “Ethnosounds“ und präparierte Instrumente bereichertem Minimal House/Techno ausmachbar. Ähnliches gilt für die Pantha Du Prince umgebenen Diskurse, die sich sowohl mit naturalistischen als auch mit außer-terrestrischen Begrifflichkeiten an der Beschreibung einer Musik versuchten, die in ihrer Verbindung aus „organischen“ Klängen und digitalen Clubsounds wohl symptomatisch für ein Genre steht, das sich seines einstigen Futurismusversprechens weitestgehend selbst entledigt hat (vgl. auch hier). Hingegen könnte jedoch die Konsequenz, mit der Weber und Kollaborationspartner Stephan Abry ( der manchen als Gitarrist des reichlich verschrobenen Avantgarde-Electropop-Duos The Workshop sowie als Studiomusiker (zb. auf Pantha Du Princes „Black Noise“) bekannt sein dürfte) den Protagonisten kosmischer Musik huldigen, diejenigen enttäuschen, die Clubtaugliches erwartet hatten.
Wobei man auch mit Definitionen dieser Art vorsichtig sein muss. Man erinnere sich nur an Manuel Göttschings House-Blaupause „E2-E4“, die Anfang der 1990er Jahre zum Dancefloor-Chillout-Hit avancierte. Eine zentrale Gemeinsamkeit von Ursprungs Debüt und Göttschings Klassiker ist ein Gitarrenspiel, das deutlich als solches erkennbar ist und nicht auf Shoegaze-typische Flächensounds reduziert wird. Doch wo Göttsching bisweilen an einen leicht sedierten Mark Knopfler erinnert, nennt die Plattenfirma das durch afrikanische Popmusik geprägte und für Indierock-Gitarrentechniken der 2000er zweifellos einflussreiche Spiel des Durutti Column-Gitarristen Vini Reilly als wichtigen Orientierungspunkt für Abry. Allerdings sind durchkomponierte Gitarrenarrangements wie das wunderschöne „Lizzy“ selten anzutreffen, scheinen die meisten Licks und Riffs doch Ergebnis eines improvisatorischen Prozess, dessen stoische Repetitionen wiederum eher an Krautrockgitarristen wie Michael Rother oder eben Göttsching erinnern.
Dabei ersetzt Weber die auf Pantha Du Princes Platten immer präsent bleibenden Elemente tanzbaren Technos durch verhaltene und zuweilen beatlose Electronica-Skizzen und Tangerine Dream-artige Analogsynthieflächen („In Aufruhr“, „Kalte Eiche“). Zentral geblieben sind hingegen die aus vermutlich gesampelten und verfremdeten Percussions, Glocken, Gongs und präparierten Instrumenten geschichteten Texturen, die im collagenhaften „Bruchaillie“, der bisher weitesten Auslenkung in eine durch die amerikanische Avantgarde (man denke an Cage, Partch) inspirierten Ambientkontext, zum alleinigen Material avancieren.
Für viele mag dieses scheinbar selbstlose Verlieren in geräuschhaften Klangerzeugungen oder ein ohne entscheidende kompositorische Wendungen auskommendes, 10-minütiges Dahinfließen („Mummenschanz“) als langweilig erscheinen, besonders, da klang-technische Überraschungen ausbleiben. Andere dürfen sich an einer gelungenen Genreplatte voll detailreicher Arrangements und geschmackvollem Gitarrenspiel erfreuen.
Label: Dial
Referenzen: Pantha Du Prince, Kraftwerk, Durutti Column, Manuel Göttsching, Tangerine Dream, Roedelius, Brian Eno
VÖ.: 25.05.2012