Obgleich sich Wolfgang Voigts GAS-Projekt um die Jahrtausendwende genretechnisch in Ambient-Welten bewegte, sind dessen Auswirkungen auch in der Techno-Szene heutzutage stärker spürbar denn je. Es scheint, als hätte Voigt mit seinem Entwurf einer Verbindung von elektronischer Musik, (deutscher) Romantik und deren Liebe zur Natur und dem Wald im Speziellen einen ästhetischen Nerv getroffen, der dem oftmals gegen den Ruf der Seelenlosigkeit ankämpfenden Genre eine ihm eigene Natürlichkeit und Sentimentalität verlieh.

Dem Wald als Rückzugsort und Inspirationsquelle widmet sich nun auch Christian Löffler, seines Zeichens Techno-Melancholiker und Mitbegründer des Kölner Labels Ki Records, der sein Debütalbum der Einfachheit halber und The Cure zitierend gleich „A Forest“ getauft hat. Darauf spinnt er diverse derzeit recht naheliegende Fäden zu einem feinmaschigem Netz aus Kopfhörertechno zusammen, das zwar als solches wenig überrascht, in seiner Ausformulierung und Feingeistigkeit aber dennoch brilliert. Das Schöne an „A Forest“ ist, dass all seine Elemente (Glöckchen, Naturgeräusche, verhangener Frauengesang) dem Genre „Wald- und Wiesen-Techno“ zwar kaum etwas Neues hinzufügen, Löffler mit diesem Album aber dennoch einen in sich schlüssigen und konsensfähigen Mittelweg zwischen den leicht experimentellen Ansätzen eines Hendrik Weber (Pantha du Prince, Ursprung), der Geradlinigkeit eines Dominik Eulberg und der Trentemøllerschen Hinwendung zum Pop anbietet.

Da wäre zum Beispiel „Pale Skin“, dessen simples und einprägsames Klaviermotiv über zaghaftem Bassdröhnen und sich dazwischen schiebenden Umgebungsgeräuschen nicht nur als Verweis auf den musikalischen Impressionismus, sondern vor allem als Türöffner dient, durch den auch der unbedarfte Hörer schnell Zugang zu Löfflers verträumtem Klangwald findet. Auf anderen Tracks übernehmen GastvokalistInnen diese Mittlerrolle. Mohna, Sängerin der Hamburger Elektropopper Me Succeeds, gibt sich auf „Eleven“ dezent elfisch, während ein recht minimaler Beat pluckernd vorantreibt. Die Dänin Gry Noehr Bagøien begleitet „Feelharmonia“ mit gelooptem sphärischem Gesäusel, aus dem sich erst nach und nach vollständige Worte schälen. Richtig düster und etwas rätselhaft wird es dann mit „Swift Code“, dem der Dichter Markus Roloff mit seiner aus dem Off erscheinenden Spoken-Word-Performance die passende Untermalung schenkt. Die kühlen Ambientflächen des Tracks, die sich in ihrer Bedrohlichkeit nie so recht einer natürlichen oder industriellen Herkunft zuordnen lassen, stellen unterdes den auf „A Forest“ eindeutigsten Link zu GAS her. Bei all der Abwechslung zwischen klarem Pop-Appeal und ambienter Verwirrung scheint allen Tracks jedoch dieser schwer definierbare, glitzernde Schleier gemeinsam, der sich über das Album legt wie Morgentau über eine saftige Bergwiese.

Gewiss stellt „A Forest“ auch ein geschicktes Spiel mit vielen Bildern, Ästhetiken und Klischees dar, die derzeit ziemlich en vogue sind. Schon allein die Namensgebung der einzelnen Titel („Ash & Snow“, „Eisberg (Hemal)“) offenbart  eine gewisse Formelhaftigkeit. Den Vorwurf der Anbiederung muss sich Christian Löffler deshalb wohl oder übel gefallen lassen. Allerdings genügt allein schon die Art und Weise, wie in „Blind“ die ersten vorsichtigen Beats wie Tropfen aus Gletscherwasser in das tief hallende Tal gleiten, um diese Einwände schnell wieder vergessen zu machen. Wer elektronische Musik mag und ansonsten auch nur einen Funken an Melancholie oder Romantik in sich trägt, wird kaum darum rumkommen,  diese Platte ins Herz zu schließen.

73

Label: Ki

Referenzen: Pantha Du Prince, Trentemøller, Dominik Eulberg, Apparat, Sascha Funke, Claro Intelecto, GAS

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VÖ: 15.06.2012

3 Kommentare zu “Christian Löffler – A Forest”

  1. […] das sich seines einstigen Futurismusversprechens weitestgehend selbst entledigt hat (vgl. auch hier). Hingegen könnte jedoch die Konsequenz, mit der Weber und Kollaborationspartner Stephan Abry ( […]

  2. rumour sagt:

    sehr, sehr schönes album. etwas unter wert hier gelistet, paar punkte mehr hätten es sein dürfen

  3. Hugo sagt:

    Macht halt vor allem den Sound von Pantha Du Prince nach, ohne so wirklich ne eigene Note hinzuzufügen. 73% find ich angesichts dessen etwas hochgegriffen.

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