Totally Enormous Extinct DinosaursTrouble
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Referenzen:
Hot Chip, Simian Mobile Disco, Junior Boys, Daft Punk, LCD Soundsystem
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Autor: |
Natalie Klinger |
Der ausfadende Bass kündigt eine Zäsur an. Erwartungsvolle Stille. Peng! Zum Einsatz des Beats schießen Kanonen Konfetti in die Luft, das im bunten Lichtgewitter auf den Dilophosaurus vor den blinkenden Knöpfen regnet. Dabei ist Orlando Higginbottom eigentlich alles andere als so total enorm exzessiv, wie Namenswahl und Bühnenshow vermuten lassen – sein Debütalbum beweist das nun einmal mehr.
Seit 2009 beglückt er mit Songs wie „Trouble“, „Household Goods“ oder „Tapes & Money“ sukzessive die Extrovertierten und Tanzwütigen, spätestens seit ein Mobilfunkhersteller mit „Garden“ im Fernsehen wirbt auch den anderen (Groß-)Teil der Welt. Fünf EPs führt Higginbottom bereits in seinem Repertoire, längst hat er seine Entdeckung durch Hot-Chip-Sänger Joe Goddard hinter sich gelassen und beim Major-Label Universal unterschrieben. Auf dem einstündigen Debüt schmiegen sich seine Hits gleichmäßig ans Restprogramm. Einheitliche Linie: zuckersüße Melodien auf selbstbewussten Beats.
Seine jungenhafte Stimme bleibt dabei bis auf ein bisschen Hall effektverschont. Zart existiert sie neben swinging Synthesizern und drängenden Drum-Machines, erhebt nicht den Anspruch, sich gegen elektronische Soundquellen behaupten zu können. Higginbottom möchte das, was er zu sagen hat, nicht so sehr in den Vordergrund stellen. Denn obwohl das sich fast monothematisch in Richtung „Liebe“ wagt und Higginbottom damit ein persönliches und intimes Feld wählt, bleibt er dabei doch oft flach – und so abstrakt, dass er nicht in die Verlegenheit kommt, zu viel von sich preiszugeben. „I’m always searching, looking under my bed / even though you said goodbye“ singt er zurückhaltend und ohne viel Dynamik in „You Need Me On My Own“: Die überdimensionalen Dinosaurierkostüme und der immer in sich gekehrte Ausdruck seines feinen, britischen Gesichts mögen ihren Teil dazu beitragen – eigentlich aber sind es solche Zeilen, die ihn wirken lassen wie einen verschüchterten kleinen Jungen, der im Kaufhaus seine Eltern verloren hat.
Die Headlines von „Trouble“ verraten also wenig über Higginbottoms allertiefstes Inneres, in das das Album auch abseits davon wenig Einblick gewährt. Es soll „einfach nur Spaß machen“ – hinter dieses Ziel fallen die 14 Titel überhaupt nicht zurück. Aber sie erzählen darüber hinaus auch einiges vom fast nahbaren 28-jährigen Sohn des Oxford-Musikprofessors, der Nina Simone und Stevie Wonder verehrt. Zwischen den Zeilen offenbart Higginbottom Detailverliebtheit und Sinn für Dramaturgie. Klangholz und Südwelt-Percussion locken in die Geheimnisumwobenheit surrealer Dschungel („Panpipes“), die von Higginbottom gern verwendete Gegenläufigkeit von digitalem Schlagwerk, Synth-Akkorden und Gesang erzeugt rhythmische Hochspannung („Garden“, „Closer“). Knallende Hard-House-Titel („Household Goods“, „American Dream Pt II“) stehen softem Synth-Pop („You Need Me On My Own“) gegenüber und entgrenzen in ihrer Uneindeutigkeit zugleich die elektronische Genrevielfalt.
All das symbolisiert Higginbottoms glanzvollen Balanceakt zwischen Ohrwurm-Pop und tanzbarer elektronischer Musik. „Ich glaube, ich wollte wirklich aus tiefstem Herzen, dass „Trouble“ eine erfolgreiche Platte wird“, sagte Higginbottom kürzlich in einem Interview. Seine Musik funktioniert auf der Tanzfläche ebenso wie im Radio und sogar in TV-Werbung. Der Wunsch wird für ihn deshalb ganz sicher nicht nur dank des Major-Labels im Rücken in Erfüllung gehen.
Label: Polydor
Referenzen: Hot Chip, Simian Mobile Disco, Junior Boys, Daft Punk, LCD Soundsystem
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VÖ: 08.06.2012