Laurel Halo bleibt nicht stehen. Auf den sich in hypnagogischen Sphären synthielastiger Vergangenheitsbewältigung windenden Popappeal ihrer 2010er Debüt-EP „King Felix“ folgte der in steril-mechanische Technoskizzen gefasste Minimalfuturismus der EP „Hour Logic“ (2011). Zwischendurch widmete sich die 25-jährige, mittlerweile in New Yorker residierende Ina Cube einer ganzen Reihe von Remixen und veröffentlichte zudem ein Tape mit Ambientmusik.

Williamsburg läuft Sturm und die Blogwelt applaudiert, zumal Cube im Stande ist, ihre Musik – dank musikalischer und universitärer Ausbildung – mit einer naturwissenschaftlich-mathematisch geerdeten Spiritualität zu überbauen. „Quarantine“ wirkt gleichzeitig logisch-kühl und emotional-introspektiv, hat starke Momente und vermag etwaige Einflüsse geschickt zu etwas weitestgehend Ungehörtem zu verbinden.

Wobei ein Blick auf ihre Homepage zumindest einige der musikalischen Ausgangspunkte offenbart, die auf „Quarantine“ zu abstrakten Klangwelten verwoben werden. Neben aktuellen Künstlern wie Julia Holter oder Cupp Cave sind hier auch Minimal-Ambienturgestein Tetsu Inoue und der „UK-Klassiker“ Digital Justice verlinkt. Des Weiteren spricht Ina Cube gerne über ihre Begeisterung für den amerikanischen Minimal-Komponisten Steve Reich, den Einfluss von Detroit Techno im Allgemeinen oder ihre Vorliebe zum „nautischen“ Dub-Techno des deutschen DJ-Projekts Porter Ricks im Besonderen.

Auch Laurel Halo frönt dem Hang zur ätherischen Entrückung, lässt Klänge durch Hall/Filtereinstellungen in weiter Ferne erscheinen und ersetzt geläufige Akkordprogressionen durch harmonisch-statische Drones und repetitive Patterns. Flirrende Texturen stehen im Mittelpunkt, wirken oftmals bewegungslos und folgen doch immer einem subtil artikulierten Puls. Nicht immer bedarf es dafür wie im Eröffnungstrack „Airsick“ deutlich ausformulierter Beats. Stücke wie „Years“, „Thaw“ oder „Carcass“ werden durch rhythmisierende Basspatterns und Synthiepads getragen, die klaustrophobische IDM-Ästhetik mit verschwommener Acid-House-Synthetik vereinen. Das häufige Fehlen durchlaufender Bassdrum- und Snarebetonungen unterstreicht das Gefühl von Orientierungslosigkeit und Entfremdung, das als Hauptsujet auch Cubes Texte zu bestimmen scheint.

Im Gegensatz zu früheren Veröffentlichung versinkt ihre Stimme jedoch nicht im Mix, sondern offenbart sich dem Hörer nicht selten mit schmerzhaft-emotionaler Direktheit. Immer wieder emanzipieren sich gleich mehrere, Effekt-beladene Vokalspuren rhythmisch und tonal von den Arrangements, um eigene Linien über den ostinaten Flächen zu etablieren. Dabei bleibt unklar, ob es Teil des Konzepts ist, dass Cubes stimmliche Fähigkeiten gerade in den tieferen Registern ihrer prägnanten Stellung nicht immer gerecht werden können. Manch einer mag dies als humane Komponente in der durch mangelnde Körperlichkeit bestimmten Lebenswelt des digitalen Zeitalters interpretieren, die in der Musik Laurel Halos einen Kontrast zur synthetisch-technischen Klangumgebung bildet. Andere wünschen sich schlichtweg, Cube käme der stimmlichen Qualität und Phrasierungskunst einer Björk – als mögliche Assoziation – etwas näher.

Allerdings können Höhepunkte wie das abschließende, elegisch-schöne „Light + Space“, das textliche morbide „MK Ultra“ oder das durch einen dezenten Perkussionsbeat gestützte „Airsick“ durchaus versöhnlich stimmen. Ist man gewillt, sich den dystopischen Klanggebilden und ihrer emotionalen Schwere zu ergeben, findet man in „Quarantine“ eine stilistisch-ästhetisch interessant gestaltete Platte. Dabei gerät es zum entschiedenen Vorteil, dass Cube trotz aller genannten Verweise nicht der dieser Tage gängigen Retrofixierheit erliegt, sondern durchaus versucht, eigene Wege des Ausdrucks zu finden. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich Cube in Zukunft bewegen wird.

74

Label: Hyperdub

Referenzen: Hype Williams, Porter Ricks, Björk, Julia Holter, Tetsu Inoue, Autechre, Digital Justice, Burial

Links: Homepage | Label | Facebook

:25.05.2012

Ein Kommentar zu “Laurel Halo – Quarantine”

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum