Allo Darlin'Europe
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Referenzen:
The Smiths, Heavenly, The Lucksmiths, Camera Obscura, Felt
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Autor: |
Sebastian Schreck |
In drei Minuten die Welt zu erklären muss keine tonnenschwere Aufgabe sein. Auf einer flirrenden Feder gleitet manchmal der Sinn dahin, von Sonnenuntergängen umflutet, ein kindsklares Kichern, ein sanftes Seufzen. Wer da unkt, der hat schwere Herzen und kritische Geister auf seiner Seite, aber Schönheit braucht keine weltverachtenden Zyniker mit einem Whiskyglas in ihrer Hand, wie cool auch immer das klingen mag. Melodieseligkeit und Harmonietrunkenheit verleiten zu Leichtigkeit und Harmlosigkeit, einfach, banal, oberflächlich. Nicht dass hier noch einer gefoppt wird von berechnender Niedlichkeit und überkandidelter Süße … Können wir dem Einfachen vertrauen? Oder bleibt die Zuckerwatte im Rachen kleben?
Allo Darlin‘, entstanden aus Elisabeth Morris und ihren Songs auf der Ukulele und nach ihrem Umzug von Australien nach London 2005 um Mitmusiker erweitert, scheren sich wohl kaum um solche verkopften Glaubensfragen und spielen Twee- bzw. Indie-Pop, wie er kaum leichter sein könnte. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum schwebte 2010 leichtfüßig und tänzelnd zu einem kunterbunten Bündel herausragender Pop-Hits, ihr zweites Album „Europe“ tut nichts anderes. Unverändert gruppieren sich die musikalischen Koordinaten um Morris‘ Mädchenstimme und ihre meist recht naiven, aber größtens unpeinlichen Lebensbetrachtungen, und um den Sarah-Records-Sound, der in den 80ern den Twee-Pop gebar: Jingle-Jangle-Gitarren und schwachbrüstige, holpernde Rhythmen, Low-Budget-Pop-Spielereien aus Rasseln, Orgeln und den 60ern. Wenn man Unterschiede zum ersten Allo-Darlin‘-Album benennen wollte: Ein bisschen tighter geht es zu, ein bisschen countryesker durch Steel-Guitar und im Gitarrenklang generell. Siehe das fast rockige „Still Young“. Siehe den gelungenen Country-Pop „Neil Armstrong“. Und „Capricornia“, so heavenly schön. Also felt good. „Tallulah“ ohne Gosh, aber als Ukulele-Ballade. Go-between!
Nein, so richtig anders sind sie nicht geworden, vielleicht hat die Band einfach zu viel(?) Spaß an ihren Songs und ihrer Musikalität. Vielleicht geht eine Gitarre, wie sie auf „Wonderland“ quengelt, auch mal als Allo-Darlin‘-Gitarre in die Musikgeschichte ein. Auch wenn dieser Klang bekannt ist, so gipfelt der schnelle Sonnenpop zum finalen Refrain in ein Wonderland aus Chor- und Melodieherrlichkeit, an dem man sich nicht satt sehen kann. Diesmal Tallulah mit Gosh also. Der Titeltrack klingt nach späten Lucksmiths, „The Letter“ greift sogar die eingangs angekratzte Frage Coolness vs. Schönheit/Liebe wieder auf, als Liebesbrief zu gläsernen, warmherzigen Gitarren: „And if I told you/ I was never cool/ and all I wanted/ was just to have you here“. Ein letztes Beispiel großer Pop-Grandezza im Kleinen darf nicht unerwähnt bleiben: „Some People Say“, ein behutsam auf Ukulele und Sehnsucht aufgebauter Country-Rock für den einsamen Highway, in dem Morris die Vergänglichkeit generell beklagt und Wein und Liebe auch im Spiel sind: „I have a feeling/ the next day will be amazing.“ Die Frau muss es wissen, man will ihr glauben.
Nichts Neues unter der Sonne, aber Licht und Wärme sind selten ungern gesehen. So einfach, beschwingt und clever, nicht komplex, müssen Songs sein, um, statt ihre Redundanz zu bemerken oder sich gar an derlei zu stören, sich in ihren Warmherzigkeiten und Klarheiten zu verlieren. Das gelingt generell ganz gut und die Hitdichte gibt dem forschen Twee-Pop-Geist Allo Darlin’s recht, so dass „Europe“ auch gut und gern unverhältnismäßig gelobt werden kann. Und zwar aus wie anders als mit einem: Hach …
Label: Fortuna Pop!
Referenzen: The Smiths, Heavenly, The Lucksmiths, Camera Obscura, Felt, The Go-Betweens
VÖ: 11.05.2012