PoliçaGive You The Ghost
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Referenzen:
Joy Division, School Of Seven Bells, Gayngs, Beach House, Bon Iver
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Autor: |
Sebastian Schreck |
Geistern begegnet man anscheinend immer wieder. Sonst wären wir nicht wieder auf sie gestoßen. Aber einen Geist geben? Das klingt doch unerhört! Wer macht das, wer will das, was soll das? Nun, wir können nur spekulieren und hoffen, dass wir keine blauen Enten predigen: Gerade wenn wir das Cover von „Give You The Ghost“ der Band Poliça – ein ungemachtes und leeres Bett im Schummerlicht der ersten oder letzten Sonnenstrahlen – betrachten, so liegt die Annahme nahe, dass Geister wie benutzte Matratzen weitergegeben werden. Also in etwa: Menschen, die bei und mit uns sind und sich uns einprägen, so dass, wenn sie verschwunden sind, ihr Geist wie die Furchen, die ein Mensch in sein Bett einbrennt, bleibt und uns nur langsam und nie ganz wieder loslässt.
Oder, musikhistorisch interpretiert, die Weitergabe des Staffelstabs der Tradition und ehrbaren Vergangenheit, um auf ihr aufzubauen und sie fortzuführen. Wave-Pop zum Beispiel wird ja gern beackert. Von Poliça zum Beispiel, deren Debütalbum-Cover unsere Fantasie so weise blühen lässt. Poliça ist eine Kollaboration des Produzenten Ryan Olson und der Sängerin Channy Leaneagh mit dem augenscheinlichen Ziel, der langen Liste aus New-Wave-Referenzen eine weitere Fußnote hinzuzufügen, auch wenn es keine schlechte ist. Dafür Pate steht das Meer aus Auto-Tune-Echo, aus dem Leaneaghs Stimme hinaufhallt und durch eine sinistre, vernebelte Atmosphäre huscht und, nun ja, spukt, oftmals in Widerrede mit ihrem Hall und an tausend Orten im leeren, dunklen Raum.
Aber eine Stimme ist nicht alles: Synthies schwelen zu nervösem Drumming unter Gefiepe und Geklirre wie in „Lay Your Cards Out“: „Get your head right.“ Fatalistische Botschaften, stoisch vorgetragen. Siehe auch: „Wandering Star“. Darin die selbe Formel: Flirrende Geisterstimmen, wankende Synthies, regelmäßiger, morbider Rhythmus, seltsame Geräusche. Alles sehr selt-, aber wirksam. Ebenso: „Amongster“ mit der industrial-artig sehr fett verzerrten Gitarre und einem rar Fahrt aufnehmendem Schlagzeug. Und am Ende breit gezogener Gesang. Tausend Stimmen mit Tränen in ihren Augen. Wie alte Türen knarzen die Synthies in „I See My Mother“. „Violent Games“ bollert elektronisch ganz enorm los, ein gewalttätiger Poltergeist, der gewaltig poltert. Mehrere Schlagzeuge und Beats dazu gehen auch mal. Und „Dark Star“ beinhaltet Fiepe-Synthies und verhuschte Bläser in einem.
Auch wenn tausend Auto-getunte Stimmen nach geraumer Zeit zu einer Nullstimme morphen, vulgo: nerven (aber wenn ein Kontext nach Auto-Tunes lechzt, dann New Wave) und nicht unbedingt jeder Hahn nach einer weiteren Fußnote in der New-Wave-Historie schreit (aber wenn schon New Wave, dann guter) und dunkle Industrial-Wave-Sounds nicht jede Tageszeit verdunkeln können und sollen (aber wenn, dann ordentlich), so klettern die Geister aus Leaneaghs Stimme und Poliças sinistren Sounds doch nach und nach immer weiter vor ins eigene Gemüt, bis sie sich dort als Geister niederlassen und … huch! Poliça uns Geister gegeben haben. Die dritte Interpretation. Dann ist ja gut.
Label: Memphis Industries
Referenzen: Joy Division, School Of Seven Bells, Portishead, Beach House, Bon Iver, Former Ghosts, Gayngs
Links: Homepage | Facebook | Soundcloud
VÖ: 11.05.2012
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