In irgendeiner Rezension zu einer mir heute vermutlich längst vergessenen Platte las ich vor Jahren einmal die für mich damals durchaus plausibel erscheinende Halbweisheit, dass Amerikaner oftmals den besseren britischen Indiepop machten, da sie im Zweifel einfach lautschreiend in den Abgrund springen würden, während sich ihre Kollegen aus dem UK viel zu große Sorgen um ihre Frisur und den richtig sitzenden Anzug machten. So oder sinngemäß so ähnlich jedenfalls.

Nun, diese Regel muss sich, sollte sie denn in der Vergangenheit jemals gestimmt haben, in den letzten Jahren ins Gegenteil verkehrt haben. Denn wo sich jenseits des großen Teiches Bands wie die Dum Dum Girls bei ihrer Bewerbung für den nächsten Tarantino-Soundtrack zwischen Phil-Spector’schen Hallwänden verirrten und dabei mehr und mehr das Wesentliche, nämlich gescheite Songs, aus den Augen verloren, waren es letztes Jahr vor allem britische Bands, die wieder mal aufzeigten, wie einfach gutgemachter Schrammelpop letztendlich sein kann und wahrscheinlich auch sein sollte. Das, was Bands wie die leicht angegothten Veronica Falls, Joanna Gruesome (oder um die Eingangsthese jetzt endgültig ad absurdum zu führen die amerikanischen High Energy-Popper Gold-Bears) auszeichnete, war neben erstklassigem Songmaterial vor allem die Erkenntnis, dass auch Twee Pop eine anständige Portion Dreck unter den Fingernägeln gut vertragen kann.

Und diese Lektion scheinen sich auch Evans The Death gut eingeprägt zu haben. „I’m So Unclean“ heißt eines ihrer Stücke und ihr selbstbetiteltes Debütalbum ist eine Ansammlung rotzverschmierter „Teenage Kicks“, die neben Melodiegespür und Charisma eben auch einiges an punkiger Dynamik mit auf die Waage bringt. Für Zweiteres ist bei Evans The Death unterdes vor allem Sängerin Katherine Whitaker zuständig, deren Organ sich anstelle verhallter Niedlichkeit auch mal in ein wenig Exzentrik versucht, ohne gleich die Rockröhre raushängen zu lassen. Ihre Texte haben entsprechend ebenfalls mehr zu bieten als nur Gänseblümchenwiese, in Sachen sarkastischer Alltagsbeobachtung wurden Evans The Death sogar schon mit Jarvis Cocker verglichen. Und tatsächlich offenbart es schon ein wenig an lakonischer und bitterer Qualität, wenn Whitaker hier singt: „When I’m watching the shopping channel, I will think of you / When I’m making a sandwich, I will think of you and when I try and get to sleep, I will think of you.“

Trotz oder gerade auch wegen seiner lyrischen Stärke wird dieses Debütalbum nie von zuviel Kunstwillen oder Ambitionen überlagert. „Evans The Death“ will nie mehr sein, als das, was es am besten kann: Gut gemachter, mitreißender Gitarrenpop, der so konsequent und ökonomisch auf den Punkt kommt, wie es in Zeiten ziellos daherwabernder Dreampop-Combos eher selten geworden ist. Dass sich Evans The Death dabei nie auf eine bestimmte Dekade oder Spielart festlegen müssen, markiert einen weiteren dicken Pluspunkt. In „Threads“ beispielsweise prallen ganz problemlos zackige New Wave-Gitarren, Pop-Punk-Melodien und Shoegazer-Rückkopplungen aufeinander und beweisen neben der Goutierbarkeit dieses schizophrenen Potpourris vor allem eins: Indiepop wie dieser funktioniert am besten ganz ohne Konzept und viel Nachdenken, es schadet aber nicht, wenn die Protagonisten dabei alles andere als auf den Kopf gefallen sind.

77

Label: Fortuna Pop!

Referenzen: Veronica Falls, Gold-Bears, Joanna Gruesome, Television Personalities, The Undertones, Black Tambourine, Boyracer, The Raincoats

Links: Facebook | Soundcloud| Fortuna Pop!

VÖ: 13.04.2012

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