Das übliche DJ-Mixtape hat eine Laufzeit von handgestoppten 54:32 Minuten. Traxmans Promo-Mix dauert hingegen bloß 10:26 Minuten. Das hat seine Gründe. „Da Mind Of Traxman“ nervt aufs Großartigste, überfordert mit Penetranz und anmaßender Maximalität.

Wer sich diesem Werk aussetzen will, wirft besser zunächst eine Überdosis Koffeintabletten ein und dreht den Verstärker auf Anschlag, denn Durchdrehen ist bei dieser aberwitzigen Schnitzelei die Grundvoraussetzung. Wem hier trotzdem nicht spätestens nach der Hälfte der Kopf raucht, verliert wohl auch in einer Gruppe von fünfzig getriebenen ADHS-Kindern nie den Überblick.

Die Vermutung liegt nahe, dass Cornelius Fergusons Lieblingsobjekt der Aktenschredder ist: Nimmersatt alles in den Schlund stecken und hemmungslos kleinhäckseln, was sich bei Drei nicht selbst aus dem „Samples“-Ordner gelöscht hat. Da treffen tollwütige Beats auf enthemmt rumpelnde Bässe und rumorende Samples auf Dauerloops; alles wirkt zerstört, geschichtet und krumm verlötet. Noch wenig störrisch beginnt das Album mit fahrigen Field Recordings, Handclaps und dumpfen Bässen, die fast einlullend die Beine massieren, bevor dann spätestens auf der dritten Startposition mit „Calling All Freaks“ die Synapsen durchschossen werden: Häppchenweise serviert Traxman uns in achtzehn Episoden seine skizzenhaften Entwürfe, die oftmals den Anschein haben, als wären sie der geloopte Auftakt zu einem Stück, das nie beginnt. Er verstümmelt HipHop- und Soul-Samples und reiht sie auf seinem MPC in so enger Taktung, dass man bisweilen nachschaut, ob die CD nicht permanent einen Sprung hat-at-at-at-at-at-at-at-at-t-t-t-t-t-t-tttttt.

„I Need Some Money“ bedient sich am Funksound der 70er-Jahre, andere Tracks am frühen HipHop – alles wirkt gleichermaßen urban und menschlich, parallel aber durch die Präsenz des technischen Kitts auch abstrakt und maschinell. Es ist genau dieser Dualismus, der dieses Album hörenswert macht. Das herrlich ausgebuffte „Let There Be Rokkkk“ und auch das lädierte „Rock You“ mit seinen blubbernden Beats sind Zeugnisse einer fast dadaistischen und funktional gerichteten Form des Musizierens: Der Verzicht auf traditionelle Songformen und Tonalität, die Überhöhung und Zurschaustellung der technischen Machart – all das erinnert vom Konzept her an frühe Formen des Dubsteps, die in der Abstraktion und Innovation neue Möglichkeiten ausloteten.

Cornelius Ferguson ist  jedoch schon seit den 90er-Jahren in seiner Heimatstadt Chicago aktiv, kennt sich aus in der Geschichte von Soul, Funk, Acid, Disco und Chicago House – initiativ hat er als Pionier die Entwicklungen von Ghetto-Tech und Footwork vorangetrieben, wobei er in seinen frühen Entwürfen die Kompromisslosigkeit vermissen lies, die das aktuelle Werk auszeichnen: „Going Wild“ ist ein zerrissenes Biest mit nackter Snare und obskuren arabischen Samples, das irre „1988“ schraubt staubtrockene Hi-Hat-Beats auf hektische Baukasten-Freakouts, „I Must Deadly Killer“ stolpert schon in den ersten Sekunden über die eigenen Füße. Es ist ein Stakkato irrsinniger Bastarde, unmittelbar und rattenscharf.

Nie kommt bei „Da Mind Of Traxman“ so etwas wie Groove auf, die Zerrissenheit ist Konzept. Einzig der keyboardlastige Abschlusstrack „Lifeeeee Is For Ever“ mag es etwas hymnischer, wird aber direkt von hypernervös verstummelten Gesangsfragmenten unterbrochen und macht das Chaos komplett. Natürlich trägt Traxmans Ansatz nicht tatsächlich über die volle Distanz, denn das Hörerlebnis ist viel zu anstrengend. Die visionäre Wirkkraft entfaltet das Album jedoch auch in Häppchenform. Wohlweislich dauert Traxmans Promomix eben auch nur zehn Minuten. Holt die Zwangsjacken raus! Das hier ist die Fix-und-fertig-Version des hellen Wahnsinns.

83

Label: Planet Mu

Referenzen: DJ Roc, DJ Diamond, DJ Nate, DJ Rome, Kuedo

Links: Homepage | Album-Snippets

VÖ: 13.04.2012

Ein Kommentar zu “Traxman – Da Mind Of Traxman”

  1. […] des Footwork und legt mit „Legacy“ nun endlich sein Debüt vor, nachdem ihm Kollegen wie Traxman da schon zuvorkamen. Auf Basis der mächtig beschleunigten, synkopierten Breakbeats meist jenseits […]

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