The MenOpen Your Heart

Es ist nicht ganz leicht, das New Yorker Punkquartett The Men als eine Band im Jetzt zu sehen. Gleich zu Beginn durchzieht ihr neues Album ein Vergangenheitsecho, es eröffnet mit nahezu exakt dem gleichen Riff wie „()“ von ihrem letztjährigen Werk „Leave Home“. Es soll nicht das einzige Mal bleiben, dass sich beim Hören des stilistisch vielfältigen „Open Your Heart“ ein ‚Deja entendu‘-Effekt einstellt.

Da ist zum Beispiel das finale „Ex-Dreams“, in dem sich das Gitarrenmeer spreizt um einem unaufgeregten Erzähler und Melodiespiel in bester „Daydream Nation“-Manier Platz zu machen. Und selbst, wenn man nicht Spacemen 3 in „Presence“ trapsen oder Stooges und Black Flag durch „Cube“ trampeln hört: Spätestens beim Titelstück wird zwischen Akkorden und emotionsgetünchtem Gesang doch der Verdacht laut, dass sich The Men dort so großzügig bei den Buzzcocks bedienen, als wollten sie sich bei den letztjährigen U.S.-Indie-Appropriierern Yuck revanchieren.

Ohnehin ist es fragwürdig, ein Album, das doch nur ein Dokument bereits ein Jahr zurückliegender Aufnahmen ist, als ein Artefakt des Jetzt zu betrachten. Mit ihrer munteren Plünderei quer durch die Rockgeschichte machen The Men eine Beurteilung nach Qualitäten wie ‚Neuheit‘ und ‚Aktualität‘ erst recht sinnlos. „Open Your Heart“ attestiert nämlich gerade, dass die wahren Qualitäten der New Yorker anderswo liegen. So wäre ihre dargebotene Stilbreite nur halb so überzeugend, wenn sich zwischen den Frontmännern Mark Perro und Nick Chiericozzi nicht damit auch eine ähnlich weite Flexibilität unterschiedlicher Gesangsrollen aufspannte, ob wüst brüllend („Animal“), sentimental im countryhaften „Candy“ oder eindringlich „Please Don’t Go Away“ flehend.

Und auch wenn sie öfter als auf „Leave Home“ diese Erfolgsformel umbiegen und umgehen: Wenn The Men einmal ihren Dynamikschalter auf ‚Dampfzwalze‘ umlegen, sind sie nicht mehr aufzuhalten. Mal rollen sie als konzentrierte Rock’n’Roll-Stampede voran („Turn It Around“ oder „Cube“), mal ausgedehnt und mit kurzen Explosionen (im Siebenminüter „Oscillation“), immer in Bewegung. Besonders in den längeren Stücken verfließen die geschichteten Gitarrenflächen dabei auch herrlich jenseits des Moments, dehnen Zeit und Raum ganz anders, als man das vielleicht von einer Punkband erwarten würde.

Wenn man sich davon nicht mitnehmen lässt, kann „Open Your Heart“ in seiner Punk-rock-country-surf-kraut-Kunterbuntheit schon mal wie ein Flickenteppich erscheinen. Auch wirkt seine kaputt verkrachte Produktion gerade in poppigeren Momenten noch inkonsequent, wenn der Gesang zu tief abgemischt ist, als wäre die Band erst mit einem Bein in diesem neuen Terrain arriviert. Doch weil diese Songs für sich genommen jederzeit so Funken sprühen, als würden ihre Macher all ihre harte und zarte Energie in sie hinein investieren, können sie letztendlich nicht anders, als eine mitnehmende XL-Packung Rock’n’Roll-Fun zu sein.

78

Label: Sacred Bones

Referenzen: Hüsker Dü, Shoppers, Buzzcocks, Milk Music, Sonic Youth, Rational Animals

Links: Homepage | Label

VÖ: 30.03.2012

3 Kommentare zu “The Men – Open Your Heart”

  1. […] Milk Music und Rational Animals – weniger nach Plattensammler-Rock klingt als das letzte The Men-Album. Sein roher Sound bedeutet nicht, dass „Cold Thought“ planlos wäre. Criminal Codes […]

  2. […] Neuausrichtung bricht „Sundowning“ als Flaggschiff eines Jahrgangs, dem es an begnadeten Krachmachern nicht mangelt, nicht erst zu neuen Ufern auf, es ist bereits dort angekommen: Im noisigen Land, wo […]

  3. […] geprägt durch eine Sozialisation in Noise- und HC-Punk mit einem Hang zur Improvisation, schlug „Open Your Heart“ etliche Haken und erinnerte in seiner Stilvielfalt an Alben von den Butthole Surfers oder besser […]

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