Der Liedschatten (60): Musik x Text > !

The Monkees: “I’m A Believer”, Januar – März 1967

„I’m A Believer“, das heißt im Zusammenhang mit dem gleichnamigen Hit der Monkees sinngemäß „Ich glaube! Ich bekenne und bezeuge!“. Die Ausrufezeichen sind dabei unverzichtbar, und warum? Zur Auffrischung: Das Lied klingt so.

Jeder sollte ein Tamburin daheim haben. Falls mal jemand fragt, ob man nicht in einer Band mitspielen wolle.

Doch bei Betrachtung der im Stück erzählten Geschichte zeigt sich, dass Überschwang wegen ihr nicht zwingend vonnöten ist. „I thought love was only true in fairy tales / meant for someone else but not for me (…) then I saw her face / now I’m a believer / not a trace of doubt in my mind / I’m in love“, so etwas ließe sich auch still, entrückt und schwelgerisch singen. Ja in etwa so, wie Micky Dolenz – der Sänger des Liedes in der Version der Monkees – es in den Strophen ja auch schon tut, etwas abwesend und benommen, aber friedlich.

Damit aber ist spätestens ab dem kurzen Break vor dem Refrain Schluss. Das Schlagzeug wirbelt, und plötzlich ist da diese kleine, schmissige und sehr simple Orgelmelodie mit ihren wenigen, aber aufreizend häufig wiederholten Tönen. Folgerichtig steigert sich daraufhin auch der Gesang, er wächst an zu einem Chor, der gegen Ende des Refrains in verzückten „Mhms“, „Ohs“ und „Yeahs“ aufgeht. Welch ein Jubel, was für ein Strahlen, was für ein Licht! Und warum frohlockt der Sänger nun also? Wegen des Textes? Das bräuchte nicht zu sein, siehe oben.

Es liegt einzig an der zwingenden Musik, sie setzt die Ausrufezeichen und erschafft eine Geschichte, die weit über die Worte des Textes hinausgeht.

monkees_believerZugegeben, die Methode dahinter ist in der Theorie mehr solide als berauschend. In der Strophe herrscht ruhiges, ebenerdiges Spiel der Instrumente mit wenig Gesang vor, und dann, im Refrain, geht’s richtig los. Das ist weder raffiniert noch originell, verbindet sich bei „I’m A Believer“ dennoch so gut mit dessen rudimentärer Erzählung, dass als Produkt (nicht Summe, hier gilt nicht einfach: Lied = Musik + Text, sondern Lied = Musik x Text) mehr als nur ein unbedarftes Liebeslied herauskommt. Erst geschieht nichts, das entspricht dem Unglauben des Protagonisten bezüglich der Liebe, dann auf einmal ist sie da, die Liebe, und alles ist fein. Das zentrale Wort ist dabei nicht etwa „love“, sondern „believer“, der Gläubige, der hier, wie oben bereits erwähnt, vor aller Welt und von mehr stechender als brausender Orgel umflort seinen Glauben bekundet, nachdem er sich dem Triumph der Liebe beugen musste. Das hat etwas von einem Heilserlebnis, kommt aber ohne religiöses Personal aus und grenzt, anders als Religion, niemanden aus. Wir wissen, was gemeint ist, der Text ist ja auch simpel genug, und verliebt waren wir hoffentlich alle schon einmal. Und wenn nicht … nun, das kann tatsächlich so ein Gemisch aus Plötzlichkeit und Dudelei sein, wirklich.

Wendet nun jemand ein: „Ja, aber doch nicht so viel Dudelei wie bei diesem albernen Liedchen…“? Denkbar wäre es, immerhin haben The Monkees nicht den besten Ruf. Eventuelle Ressentiments gegenüber der Gruppe auf das Lied zu übertragen täte diesem aber Unrecht.

Sicher, die „Monkees“ waren zumindest zu Beginn ihrer Karriere keine „richtige“ Band, sondern der gelungene Versuch, das Phänomen der Beatles in einer handzahmen Variante für den amerikanischen Fernseh- und Plattenmarkt zu adaptieren. Sie waren eine Castingband, Schauspieler, die Musiker spielten. Daran mag sich stören, wer will, das ändert nichts an der Güte zahlreicher Lieder, bei denen sie zumindest sangen.

Bei anderen Vokalensembles oder im Soul war das nie anders, nur erstaunte es da nicht weiter. Vielleicht, weil es in deren Genres das Ideal der „Jungs, die es mit eigener Arbeit / eigenen Liedern nach oben schaffen“, wie es im Pop der 1960er durch die Beatles, Stones und andere populär wurde, nie gab. Und deshalb fiel auch keinem Menschen ein, auf Originalität, Authentizität, den ganzen Schmonz zu pochen, es war klar: Ein guter Songwriter schreibt gute Lieder, die von guten Instrumentalisten und guten Vokalisten interpretiert werden, und ein guter Song ist ein guter Song. Genauer betrachtet ist es außerdem schon ziemlich albern, sich darüber zu beschweren, wenn das, was im Fernsehen kommt, nicht „echt“ ist. Wer weiß, am Ende spricht daraus auch nur die Enttäuschung darüber, nicht besser belogen worden zu sein.

Obwohl sie später eigene Songs spielten und aufnahmen (zum Beispiel auf den guten Alben „Headquarters“ und „Pisces, Aquarius, Capricorn & Jones Ltd.“), begannen die Monkeys also 1966 ihre, wie ihnen angelastet wurde, absehbar erfolgreiche Karriere im amerikanischen Fernsehen, und das mit Hilfe von Songwritern wie zum Beispiel Carole King (u.a. „Will You Love Me Tomorrow“, „The Loco-Motion“, „He Hit Me (It Felt Like A Kiss)“) und Neil Diamond („Song Song Blue“, „Solitary Man“), von dem auch „I’m A Believer“, dieses Meisterwerk des Bubblegum Pop, stammt.

Und sicher, der Song ist Süßkram, wie solcher bleibt er kleben und ist auf Dauer zuviel des Guten. Doch mag er auch süß sein, simpel ist er nicht. Immerhin spielten ihn Mitglieder der Wrecking Crew (denen wir bei den Beach Boys und Frank Sinatra schon einmal begegnet sind) ein, unter anderem die Bassistin Carol Kaye, die zu „I’m A Believer“ einen sehr inspirierten Basslauf beisteuerte. Das könnte auch erklären, weshalb im obigen Video kein Bass zu sehen ist. Schlagzeug, Gitarre und Orgel des Liedes lassen sich relativ leicht mimen, der Basslauf aber ist dafür ein wenig zu anspruchsvoll.

Wer weiß, vielleicht war er das auch für diejenigen, denen es nicht recht in den Kram passte, wenn eine Band auf kalkulierte Weise Popularität mit Stücken erlangte, die diesen Erfolg rechtfertigten, obwohl sie nicht „real“ war. Das ist albern.

Denn wenn jemand Grund dazu hatte, sich über das bloße Dasein als Medium aufzuregen, dann die Monkees, die sehr wohl über musikalische Fertigkeiten verfügten. In ihrem laut einigen Verlautbarungen sicherlich sehenswerten Film „Head“ von 1968 soll dieses Thema in psychedelischer Manier aufgegriffen worden sein. Damit wird es dem folgenden Ausschnitt nach wohl seine Richtigkeit haben.

Zeugs rein in die heads, „Head“ raus aus den heads: Auch die Monkees waren psychedelisch. Co-Regie führte Jack Nicholson.

Auch richtig ist: Eine Beschäftigung mit den Monkees verhilft zur Entdeckung guter, wenn auch kaum zeitloser Popmusik. Aktualität besitzt die Band gegenwärtig leider nur aus dem unschönen Grund des Todes ihres Mitgliedes Davy Jones.

7 Kommentare zu “Der Liedschatten (60): Musik x Text > !”

  1. […] der BRD des Jahres 1967 verspricht Amüsement. Dort tauchen unter anderem auf: The Kinks, The Monkees, The Beatles, The Rolling Stones und Procul Harum. Zwischendrin aber begegnet uns, sozusagen als […]

  2. […] & The Papas, unter anderem Hal Blaine von der Wrecking Crew (siehe Beach Boys, Lee Hazlewood, Monkees und weitere) zurückgreifen. Er selbst war ein begnadeter Sänger mit gefälliger Stimme und gutem […]

  3. […] gutes Beispiel dafür ist der Produzentenpop von Bands wie den (zumindest frühen) Monkees, die nicht mehr als eine Adaption der Beatles sein sollten, sich aber zu einer veritablen Popgruppe […]

  4. […] Underdogs begrenzen, er kann genau so gut auf durch und durch kalkulierte Musikprojekte, in etwa The Monkees, oder unsere heutige #1, The Archies mit „Sugar Sugar“, ausgeweitet werden. Lasst uns, solange […]

  5. […] In The Night“, keine persönliche Offenbarung wie bei „I Want To Hold Your Hand“ oder „I’m A Believer“. Die Idee, Liebe sei alles, was ein Mensch braucht, wird als eine Tatsache vorausgesetzt und […]

  6. […] ihre Lieder ja gar nicht selbst, anders als heute eher unüblich. Erst Bubblegumpop wie von The Monkees wurde ein paar Jahre später für mangelnde Authentizität […]

  7. […] recht jungen Zielgruppe entworfen wurden. In den 1960ern waren das unter anderem The Monkees („I’m A Believer“) oder The Archies („Sugar Sugar“). Ihre Lieder waren eingängig und beschwingt, die Texte […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum