Ryan Power: Ungewöhnlich anders schön

Wir wissen nicht, ob Ryan Power wirklich so heißt, aber es ist einer dieser Allerweltsnamen, die einem früher oder später Ärger bereiten, wenn man sie nicht rechtzeitig ablegt. Im Mai vergangenen Jahres musste Ryan Power erklären, dass er nicht bei Facebook ist, vielleicht auch deshalb, weil ihm kein Profil immer noch lieber ist als noch jemand, der ihn für einen Songwriter aus Minnesota hält. Der wiederum ist dort zu allem Überfluss auf der Suche nach arbeitsamen Sängern – was der Geschichte an sich schon einen leicht tragikomischen Nebensinn gibt.

Die in „I Don’t Want To Die“ mit beschwerter Entschlossenheit durchgehaltene Kopfstimme ist sicher nicht jedermanns Sache, führt aber die Ideen aus früheren Produktionen immerhin schlüssig zu Ende. Womöglich ist das Falsett auch gerade dabei, als neues Mittel zur Differenzierung im Stile Antony Hegartys Schule zu machen, um die schon jetzt überstrapazierten Vergleiche (Dirty Projectors, Elliot Smith) noch mal mit einem neuen Namen anzureichern.

Der Ryan Power, den wir meinen, singt also grundsätzlich selbst und hat auch so bald keine Ambitionen, das zu ändern. Er kommt aus Burlington, Vermont und hat mit der Pflege seiner Internet-Seite einen alten Kumpel beauftragt, mit dem er zu Schulzeiten einen geheimen Gruß entwickelt hat, eine Art Händedruck, der auf bestimmte Weise ausgeführt werden muss. So weit, so sympathisch: Ryan Power schart also alte Bekannte um sich, und überhaupt klingt vieles an „I Don’t Want To Die“ verdächtig nach Handgemachtem. Was jetzt nicht heißen soll, dass Power die Nylongitarre spielt, die zu seinem opulenten schwarzen Vollbart so gut passen würde. Die Elektronik im Song fällt aber durch ihre Reduziertheit angenehm bescheiden aus, weil sie Gott sei Dank auf endloses Parameter-Geschraube verzichtet. Die unerwarteten motivischen Spielereien lassen zudem recht zuverlässig darauf schließen, dass hier einer auch intellektuell was von Melodieführung versteht.

Bis vor kurzem konnte man das meiste von Ryan Powers musikalischen Erzeugnissen noch auf seiner Website bekommen. Das hatte sich zumindest für „I Don’t Want To Die“ aber mehr oder weniger schnell erledigt, nachdem das in Indie-Kreisen zuletzt hoch gelobte Label NNA Tapes angekündigt hat, das Album im Winter auf Schallplatte zu veröffentlichen. Bis auf einzelne (vermutlich nicht existente) Japan-Exemplare ist davon noch wenig zu sehen. Neben Menschen mit denselben Namen ist auch das etwas, an das sich Ryan Power womöglich gewöhnen müssen wird, wenn er wie angekündigt seine neuen Songs um die für ein Album noch fehlende zweite Hälfte ergänzen will: dass im Musikbusiness Dinge manchmal länger dauern, als es dem kreativen Schöpferhirn lieb ist. Vielleicht ist das der Grund, warum Power immer so tut, als ob seine vier verbliebenen Longplayer, die sich kostenlos von seiner Seite streamen lassen oder für fünf Dollar zu kriegen sind, vernachlässigbares Beiwerk wären. Stimmt aber nicht.

Das Album „I Don’t Want to Die“  erscheint vielleicht im April via NNA Tapes

Links: Ryan Power | NNA Tapes

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