Wir erinnern uns: Vor exakt einem Jahr lieferten Cloud Nothings ein mittelprächtiges Album ab, das mancherorts eher als Sargnagel und nicht als Startschuss zu einer großen Karriere empfunden wurde. Mit „Attack On Memory“ und Steve Albinis Hilfe starten sie nun nach kurzer Zeit einen weiteren Versuch und verscheuchen die Schatten der biederen Vergangenheit.

Neben der musikalischen Weiterentwicklung, die Dylan Baldis Truppe augenscheinlich durchlaufen hat, ist Albinis Präsenz von Anfang an allgegenwärtig. Der Lo-Fi-Sound vom Vorgänger ist größtenteils Geschichte, doch Cloud Nothings ersetzen ihn nicht wie so viele andere Bands mit ähnlichen Wurzeln durch niedlichen Pop-Punk, sondern durch eine klare Schärfe in der Produktion.

Der Opener „No Future/No Past“ ist in diesem Zusammenhang wie ein Brennglas für die folgenden 30 Minuten. Schleppend mit schwerem Gerät im Hintergrund tastet sich Baldi heran, um sogleich wie aus dem Nichts Salz in die Wunde zu streuen. Hier ist alles perfekt aufeinander abgestimmt, das Zurückgreifen auf die Ästhetik der der frühen Noise-Rock-Bewegung nicht zu leugnen. Aber dahinter verbirgt sich mehr als nur ein Konzept oder bloße Verehrung von Vorbildern. Das Versprechen, dass auf „Attack On Memory“ jederzeit mit Unerwartetem zu rechnen ist, baut schon hier ganz zu Beginn jene greifbare Spannung auf, von der das Album bis zum Ende zehren wird. Diese Stimmung wird im zentralen Stück „Wasted Days“, das mit seinen neun Minuten gut ein Viertel der Gesamtlänge einnimmt, noch einmal verdichtet. Ganz im Widerspruch zum Songtitel ist hier in Wirklichkeit kein Moment verschwendet, die Fülle unterschiedlicher Ansätze ist enorm, zumal der Fokus jederzeit auf einer geschlossenen Struktur liegt und nichts aus dem Ruder läuft. „I Thought I Would Be More Than This“ schreit Baldi heraus und knüpft erneut an den frustrierten Unterton des Openers an, auch später greift er auf dieses Motiv zurück – eine wahrlich exklusive Haltung für jemanden Anfang 20, was glücklicherweise das einzig Überhebliche auf „Attack on Memory“ bleibt.

Dass es für den Rest des Albums etwas schwieriger wird, mit so einem Einstieg mitzuhalten, ist weder eine Überraschung noch besonders abträglich für das Gesamtbild, denn auch über die verbleibende Distanz setzen Cloud Nothings immer wieder Highlights. Der Ausbruch aus der Schwere im federleichten „Fall In“, das hitverdächtige „Stay Useless“ oder das bellende Instrumental „Separation“ – alle verbleibenden Songs ergänzen das gelegte Fundament mit Augenmaß, ohne sich aufzureiben. Unterm Strich bleibt vieles, vor allem aber hat Dylan Baldi aus der Vergangenheit gelernt und eine Wendung vollzogen, die ihm nur die wenigsten zugetraut hätten.

79

Label: Wichita

Referenzen: Slint, Shellac, Wipers, Fugazi, Pixies, Piebald, Yuck

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VÖ: 10.02.2012

3 Kommentare zu “Cloud Nothings – Attack On Memory”

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  2. […] Auftritt der Cloud Nothings. Ihre aktuelle Platte „Attack On Memory“ wurde vielerorts (auch hier) gefeiert, live hingegen verloren sich die vier Jungs in zu viel Noise, verwechselten sich selbst […]

  3. […] Weniger gut schlägt sich das Trio aus Chicago, wenn der Versuch von aggressiv-rohem Gesang à la Cloud Nothings in zwei der Songs flach fällt, es steht ihren Songs besser, wenn Bassistin, Gitarrist oder auch […]

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