Stimme, whisky- und tabakgeschwängert? Check! Bellendes Höllenhundszenario? Check! Variationen von Blues-, Stoner- und Grungerock? Check! Mark Lanegans neues Werk? Check?

Nein, wie vorhersehbar! Es gibt Musiker, deren Namen schon vorab des ersten Tons einer neuen Veröffentlichung eine Erwartungshaltung hervorrufen, die genau besagt, wie eben das neu zu Gehör getragene klingen soll. Leonard Cohen ist so ein Kandidat, Bruce Springsteen ein anderer, Tom Waits, Bob Dylan … und Mark Lanegan. Ob letzterem dieser Nimbus zu Recht anhaftet, kann auch „Blues Funeral“ trotz genretypischem Zutatenreigen nicht vollends klären.

Sicher, da sind die unverwechselbare Stimme, irgendwo zwischen rostigem Poeten und belegtem Geschichtenerzähler, da sind die zahlreichen Zitaten aus Blues, Alternative Rock und Folk gleichkommenden Melodielinien und diese Stimmung, die Nacht- und Schattenwesen in Hochgefühle versetzt. Auch die zwölf Songs sind richtig benannt, vom Totengräber über die Elegie findet sich auf der Titelliste nahezu alles an Vokabel, was Schauer über den Rücken, Haare zu Berge oder eben Dunkelheit, Vergänglichkeit und Seelenschwere hervorrufen kann. Wenn sich dann noch die musikalische Untermalung und das zugehörige Instrumentarium so nahtlos ineinander verzahnen, dass sich selbst die im Mittelteil beheimatete Ode an die traurige Disco mühelos in den Gesamtkontext einfügt, lässt sich schnell feststellen: Check!

Stellt sich nur die Frage, ob Lanegan denn überhaupt dieser Erwartungshaltung gerecht werden würde? Im Vergleich zum nunmehr acht Jahre alten „Bubblegum“ ist „Blues Funeral“ dann doch eine ganze Spur andächtiger geworden. Von den drei Alben mit Isobel Campbell hebt es sich sogar ganz gewaltig ab, von den Arbeiten mit den Screaming Trees oder Gutter Twins ganz zu schweigen. Und doch ist man irgendwie zufrieden mit „Blues Funeral“, ja mehr noch, man fühlt sich in seiner Erwartung sogar mehr als bestärkt, auch wenn es keinen Grund für Erwartung geben konnte.

Da war vorher kein Stück wie das todtraurige Gebet „Bleeding Muddy Water“, das in seiner meditativen Grundstimmung eher an die Beschwörungsformeln David Eugene Edwards‘ bei Woven Hand erinnert und auch „Grey Goes Black“ steht mit seiner nervösen, aber dennoch mählich vorantreibenden Stimmung trotz allem eher bedächtig im Raum. Selbst die kraftvolleren Töne bei „Riot In My House“ oder „Quiver Syndrome“ knarren und poltern zwar gewaltig, die Inbrunst eines „Methamphetamine Blues“ erreicht er nicht.

Klingt das jetzt, als wäre „Blues Funeral“ irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes, so als ob er mit den altbekannten Ingredienzien nichts Neues und Innovatives kreieren könnte? Der Blick auf die Wegbegleiter auf dem Album (Greg Dulli, Josh Homme, Alain Johannes, Greg Irons) mag diesen Eindruck gar noch verstärken, jedoch …

Lanegan hat sich eben auf „Blues Funeral“ weder neu erfunden, noch ist er knietief im Morast der eigenen Historie versunken. Er braucht das auch nicht, wenn sich hinter dem unerwartbar Erwartbarem Stücke wie „Harborview Hospital“ oder „St. Louis Elegy“ verbergen, die genau das richtige Signal zu geben scheinen: die richtige Mischung macht’s!

70

Label: 4AD

Referenzen: Woven Hand, Soulsavers, Creature With The Atom Brain, The Gutter Twins, Botanica

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VÖ: 10.02.2012

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