Susumu YokotaDreamer
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Referenzen:
Nobukazu Takemura, Brian Eno, Vangelis, Ryuichi Sakamoto, Pantha Du Prince
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Autor: |
Till Strauf |
Susumu Yokota dürfte für geneigte Hörer kein Unbekannter sein. Seit nun mehr 20 Jahren ist der Japaner als Produzent, DJ und Komponist aktiv und hat seitdem an die 30 Alben, unzählige EPs, Mixe und DJ-Sets veröffentlicht. Auffälligstes Merkmal seines Schaffens ist die stilistische Ungebundenheit und die spielerische Leichtigkeit, mit der sich Yokota zwischen verschiedenen Welten elektronischer Musik zu bewegen weiß. In Japan kennt man ihn vor allem als erfolgreichen House-/Technoproduzenten mit einer Vorliebe für Funk und Disco, während er Europa ab Ende der 1990er Jahre eher durch zurückhaltende Ambient-Platten für Leaf und Lo Recordings auffiel.
Solch künstlerische Gratwanderungen scheinen besonders in Japan nicht unüblich und erinnern an Regisseur Takeshi Kitano, der in seinem Heimatland vorrangig mit slapstickbehafteter Comedy sein Geld verdiente, bevor das europäische Programmkino seine nihilistischen Yakuza-Dramen für sich entdeckte. Ganz so strickt sind die Trennlinien in Yokotas Arbeit jedoch nicht gezogen, so finden sich auch auf seinen Ambientplatten immer wieder deutliche Spuren seiner House-/Techno-Begeisterung. Wer beispielsweise seine wohl bekannteste und gelungenste Veröffentlichung „Sakura“ aus dem Jahre 2000 kennt, weiß um die mitunter belebende Wirkung eines unerwartet einsetzenden Kickdrum-Pulses („Genshi“).
Auch „Dreamer“ spielt mit der Mischung aus freieren Ambientcollagen und mit tanzbaren Technorhythmen unterlegten Soundscapes, deren Fokus die Verbindung „akustischer“ Instrumente mit elektronischen Klängen bildet. Doch während auf „Sakura“ oder „Kaleidoscope“ (2010) zumeist repetitive Gitarren- oder Klavierpatterns als Vehikel einer charmant-naiven Melodik dienten, konzentriert sich „Dreamer“ wieder verstärkt auf asiatische Timbres und Klänge. Die Idee, ethnische Musiken als Symbol einer natürlichen Ursprünglichkeit mit computerbasierten Produktionsstechniken westlicher Popmusik zu kombinieren, ist natürlich nicht neu und gründet wohl auch hier im Bestreben, eine moderne Form von Weltmusik zu erschaffen. Bedeutungsschwere Titel wie „Human Memory“, dessen orientalische Soundcluster und sanft anschwellenden Synthieflächen mit einer Variation des Amen-Breaks unterlegt sind, scheinen zumindest in Richtung eines Konzepts zu deuten, das mit den Polen altbekannter Begriffspaare wie Tradition vs. Fortschritt, Mensch vs. Maschine oder Spiritualität vs. Logik spielt. Im Ergebnis klingt das jedoch wenig originell.
Ähnliches gilt auch für „Animiam Of The Airy“ (Mizmarspiel auf Chillout-Techno) oder den mit Samples orientalischer Saiteninstrumente und Fetzen traditioneller Gesänge versetzten Minimal-Ansatz von „Subconscious Globe“, deren harmlose Exotismen mitunter den faden Beigeschmack esoterischen New-Age-Flairs transportieren. Plötzlich glaubt man, John Maus und sein zugegebenermaßen etwas aufgebauschtes „Truth of Pop“-Konzept deutlich besser verstehen zu können. Drehte dies sich doch auf philosophischer Ebene darum, dass innerhalb bestimmter Eklektizismen die musikalische „Wahrheit“ und Aussagekraft der jeweiligen Bestandteile verloren gingen.
Ein wenig elaborierter funktionieren hingegen die beatlosen Ambientstücke. „Flitting Ray“ verzahnt Sitarklänge, Gamalan-Gongs und modulierende Sägezahnsounds zu einer wabernden Raga-Melange, aus der vereinzelt technoide Muster hervor steigen. Auch „Renoucing The World“ arbeitet mit repetitiven Synthiepads und ethnischen Gesängen, kann jedoch aufgrund seines analog anmutenden Charmes positiv an die post-psychedelischen Soundspielereien früher Popul Vuh oder Vangelis‘ erinnern. Wohingegen „Double Spot Image“, der kakophonische, aus Glockenläuten, religiösem Singsang und barocker Kirchenorgel geschichtete Verweis auf den Katholizismus, unnötig und deplatziert wirkt. Unnötig scheint auch der abschließende Exkurs ins ländliche Japan: So droht Yokota mit „Legendary Stream“, das mit wärmenden Keyboardmotiven, Shakuhachispiel und Wasserplätschern aufwartet, doch in allzu offensichtlichen Ethnokitsch zu verfallen.
Insgesamt kann „Dreamer“ nicht so recht überzeugen, auch wenn gute Ansätze Aufschluss darüber geben, dass etwaiges Potential vielleicht lediglich falsch genutzt wurde. Weniger weltumspannende Esoteriksperenzchen hätten dem Konzept sicher gut getan. Interessierte Neueinsteiger sind mit der bereits erwähnten „Sakura“ wohl deutlich besser beraten.
Label: Lo Recordings
Referenzen: Nobukazu Takemura, Brian Eno, Vangelis, Ryuichi Sakamoto, Pantha Du Prince
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VÖ: 03.02.2012