Sharon Van EttenTramp
Auf charmante und subtile Weise ist es Sharon Van Etten gelungen, sich langsam ins Bewusstsein und derweil auch in die Herzen aufmerksamer Beobachter der blühenden Brooklyner Musikszene zu singen, ohne dabei ihr überzeugendes musikalisches Eigenwerk zu sehr ins Rampenlicht zu rücken. So lieh die junge Wahl-New-Yorkerin den Antlers auf ihrem emotionsbeladenem Zweitwerk „Hospice“ eine zusätzliche Stimme und garnierte den Nicht-Album-Track „Think You Can Wait“ der befreundeten Band The National mit sanften Backing-Vocals.
Lange blieb Sharon Van Etten die zarte Stimme im Hintergrund großer Namen, die selbst lieber in engen Bars und Wohnzimmern von ihrem Leben sang. Ihr in Eigenregie aufgenommenes Debütalbum „Because I Was In Love“ blieb weitestgehend unbeachtet. Mit „Epic“ folgte ein weniger episches als intimes und überraschend routiniertes Zweitwerk, das mit „Love More“ einen Song vorweisen konnte, vor dem sich unter anderem Justin Vernon in Form zahlreicher Live-Coverversionen ehrfürchtig verbeugte.
Mit tatkräftiger Unterstützung treuer Freunde und talentierter Weggefährten im Gepäck sucht Sharon van Etten mit „Tramp“ nun einen Weg aus dem Schattendasein, hinein in das Licht der allgemeinen Anerkennung, die ihrem Talent bereits seit langem zusteht. So hat mit Aaron Dessner von The National auf „Tramp“ zum ersten Mal ein Produzent seine Finger im Spiel. Auch Zach Condon und Wye Oaks Jenn Wasner haben sich auf Sharon Van Ettens Gästeliste gedrängelt. So versprüht das von Condons Ukulele begleitete „Leonard“ die Dramatik eines verloren gegangenen Beirut-Songs, dessen gewohnter Wehmut Van Ettens lethargischer Gesang einen wirkungsvollen Genderwechsel verpasst.
„Tramp“ bleibt weniger der große Aufschrei einer verkannten Künstlerin, sondern die gekonnte Weiterentwicklung großer und kleiner persönlicher Geschichten, die vor allem auf textlicher Ebene erhört werden wollen. Zwischen Ukulele, Harmonium und Akustikgitarre verbirgt sich ein intimer Einblick in Van Ettens Seelenleben, so ehrlich und unmittelbar in Worte gefasst wie schnell verfasste Tagebucheinträge, selten poetisch und ungreifbar und immer direkt hinaus. Vielleicht ist es aber auch Sharon Van Ettens unaufdringliche Stimme, die gleich einer tongefassten seelischen Streicheleinheit ein angenehmes Maß innere Ruhe versprüht, sich dennoch stets mit der nötigen Dynamik verspielt um ihre Worte wickelt.
„Tramp“ erstrahlt vor allem in den zahlreichen Naturtönen einer verschleppten und schüchternen Selbstoffenbarung, anstatt anhand großer musikalischer Hakenschläge stolz mit dem Finger zu schnipsen. Gleich zu Beginn des Albums verdeutlicht die 30-Jährige im rein akustischen „Give Out“, dass sie die großen Bühnen lieber ihren musikalischen Paten überlässt. „It’s not because I always give up / It might be I always give out“. Die zwölf Songs ihres Drittwerks triumphieren viel mehr durch eine ihnen innewohnende Glaubwürdigkeit, die keine großen Gesten benötigt. „I think I need more than the flowers and letters, man“.
Label: Jagjaguwar
Referenzen: Daughter, Wye Oak, Alela Diane, Beirut, Anna Ternheim
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VÖ: 10.02.2012