„Feiern für das Klima“?

Am letzten Freitag erhielt ich die folgende Mail:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
am 07.02.2012 findet das erste GreenMusicEvents BarCamp in Hamburg statt und setzt sich damit mit Umweltschutz in der Musik- und Eventbranche auseinander. Das BarCamp wird von der Initiativagentur Zuendwerke in Kooperation mit der Green Music Initiative und dem Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft organisiert.
Anbei erhalten Sie einige Informationen zur Veranstaltung.
Über eine Veröffentlichung bzw. Thematisierung würden wir uns sehr freuen. Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung – gerne per Email, telefonisch oder am Veranstaltungstag.
Mit besten Grüßen…“
usw.
Auf der Seite des Initiatoren informierte ich mich über diese und ihre Ziele, das Programm der Veranstaltung, schaute, was „Zuendwerke“ sonst so tut (zum Beispiel eben „Feiern für das Klima“) und beschloss zu antworten. Immerhin wurden wir ja für potentielle Interessenten gehalten und obendrein sehr höflich darum gebeten, die Veranstaltung zu thematisieren, was nun in Form eines offenen Briefes geschehen soll.
Dabei geht es nicht direkt um die beworbene Veranstaltung (die liegt ja noch in der Zukunft, außerdem ist die Einladung leider sehr nichtssagend), sondern den Ansatz der „Zuendwerker“ an sich.
„Liebe Zuendwerker,
leider sehe ich keine Möglichkeit, Eure Veranstaltung „GreenMusicEvents BarCamp“ anzukündigen. Außerdem glaube ich nicht, dass sich die Welt dadurch retten lässt, ‚[…]das Thema einer zukunftsverträglichen Entwicklung sexy zu kommunizieren.‚*, insbesondere nicht durch ‚Feiern für das Klima‘.
Vielleicht bin ich da ja aber auch einfach nur in den falschen Locations unterwegs, halt dort, wo ich gerne tanzen mag. Und das ist eben zum Beispiel nicht der ‚Hühnerposten‘ hier in Hamburg, wo ihr bereits einmal Eure tolle Idee des ‚CarrotMobClubs‘ realisiert habt. ‚Die Carrotmob Community mobilisiert eine Meute an Feierwütigen, die an einem Abend einen bestimmten Club aufsucht und dort den Eintritts- und Getränkeumsatz steigert. Der Clou dabei: Der Clubbetreiber erklärt sich im Gegenzug im Vorfeld bereit, nach einer Energieberatung einen Prozentsatz seines Abendumsatzes in Energiesparmaßnahmen in seinen Club zu investieren.‘
Und warum tut ihr das? ‚Wir als Konsumenten haben große Einflussmöglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung, die wir aber in unserem Alltag kaum nutzen, weil wir es für zu anstrengend halten.‘, so sagt es Euer Thore Debor. Und das haut hin, zumindest dann, wenn man sich als Konsumenten sieht, der eben nichts anderes zu tun hat und können braucht als zu konsumieren und dazu nur an die richtigen Stellen gelotst werden muss. Und dort wird dann, wie bei einer Eurer ‚CarrotMobClub“-Partys, „Musikalisch […] für jeden Besucher etwas dabei sein, denn von House&Electro, Schlager über Chart-Hits wird auf drei Tanzflächen ordentlich Programm geboten‘. So weit, so fetzig. Und außerdem habt ihr mir schon mal geschmeichelt, für mich ist nämlich nichts dabei, also bin ich nicht ‚jeder‘. Da klimpere ich doch mal kokett und dankbar mit den Augen.
Nun geht es ja aber gar nicht um mich, also zurück zu Eurem Anliegen, das mit dem Konsum, der ’nachhaltigen Entwicklung‘, dem Alltag und dem Feiern. ‚Alltag‘, das ist bei Euch auch die Clubnacht, und da komme ich nicht ganz mit. Beim ‚dancen und romancen‘, wie ich gerne scherzhaft sage, wird viel getrunken, die eine oder andere Droge konsumiert, aber selbst das nur manchmal. In erster Linie wird getanzt, getanzt und nochmals getanzt.
Was aber soll sich denn dadurch ändern, von der persönlichen Verfassung einmal abgesehen? Vielleicht bin ich da aber auch ein wenig altbacken. Immerhin bedeutet alltäglicher Konsum für mich nicht, Caipirinha in Großraumdiscotheken zu trinken, damit ein Unternehmer ein wenig in (sicherlich sinnvolle) ‚Energiesparmaßnahmen in seinen Club‘ investieren kann, was ohne das aus meinem Konsum von ‚Sekt-Aperol‘ gewonnene Geld sicherlich ganz unmöglich für ihn wäre.
Das Problem ist nämlich: ich hab‘ gar nicht das Geld dafür, ich trinke billiges Bier im Golden Pudel Club oder bewundere die sehr gute Musik beim Kiss Kiss Club 2000, auch dort gibt es, außer eben der guten Musik, billiges Bier. Ich hänge in Kneipen rum, nicht in Bars, bin am Ende, wie bereits erwähnt, sehr, sehr altbacken und damit letztendlich gar, ich befürchtete es bereits, ein Umweltsünder alter Schule. Denn so richtiger ‚richtiger‘ Konsum ist das ja wohl kaum, das bisschen Bier (auch gut: Sekt + Energydrink, beides aus dem Discounter).
Leider kann ich die ’nachhaltige Entwicklung‘ in meinem Alltag also nicht so vorantreiben, wie ihr es Euch, mir und uns wünscht. Sorry dafür. Mehr, als weitestgehend vegan zu leben, Klamotten in Secondhandläden zu kaufen und kein Auto zu besitzen fällt mir nicht ein. Und selbst das tue ich auch nicht im Glauben, die Welt, Zukunft, ‚Nachhaltigkeit‘, was auch immer zu retten, sondern nur, weil ich hoffe, so ein klitzeklein bißchen weniger kaputt zu machen, als ich es durch meine bloße Existenz eh schon tue. Gut, ich bin der Meinung, man könnte und sollte und müsste die gesamte Werbeindustrie mit ihren hanebüchenen Budgets und blöden Ideen zur Absatzsteigerung überflüssiger Produkte (und die notwendigen würden ja eh gekauft werden) abschaffen, das könnte einiges an Papier, Lichtquellen, Strom und Praktikumsplätzen sparen.
Aber kriegt man so die Leute in den Club? Nein, und das werdet ihr, liebe ‚Zuendwerker‘, ja auch wissen, und zwar besser als ich. Denn ihr wollt ja, unter anderem, die Clubs voll kriegen, damit die Unternehmer investieren können. Das ist, nebenbei bemerkt, ein ziemlich waghalsiges Konzept, was sogar ich mit meiner abgebrochenen kaufmännischen Ausbildung weiß.
Wäre es nicht besser, den Unternehmern das Geld zu spenden und so die Verwendung des einen oder anderen Cocktailschirmchens zu vermeiden? Das ist gut für sie, gut für die Umwelt und so auch gut für uns alle. Schließlich fielen dann die Kosten für Schirmchen etc. weg, mit weniger Geld ließe sich also mehr bewegen. 1000 Euro Spende sind unterm Strich mehr als 1500 Euro Umsatz, und das Geld käme an der richtigen Stelle an, nicht in etwa auch noch bei irgendwelchen kubanischen Zuckerrohrbauern. Denn die kaufen sich am Ende eh nur Rum davon.
Denkt doch einfach mal darüber nach.
Bussi und ein langes, gesundes Leben
Lennart Thiem“
*alle Zitate stammen von der Homepage http://www.zuendwerke.de/
Als nachträgliche Ergänzung: Wer gerne noch etwas „seriöseres“ zum Problem der „Nachhaltigkeit“ in der gegenwärtigen Gesellschaft lesen möchte, wird hier fündig.
http://www.integraldevelopment.org/downloads/Kuppe_Kapitalismus_schlaegt_Nachhaltigkeit.pdf
Ob Feiern für das Klima oder ein Promi-Charity-Essen für hungernde Kinder in Bangladesh, all dies geht von der völlig irren Annahme aus, dass man Spaß mit Engagement kombinieren kann. Aber das Hochkrempeln der Ärmel bedeutet Arbeit und die ist nie einfach nur lustig.
Man kann solch Events aufziehen und sie sind wahrscheinlich nicht nur gut gemeint, vermutlich sogar Ausdruck eines gewissen Umdenkens, aber letztlich sind sie auch eine Alibiaktion, weil das Tun den Anderen überlassen wird. Einer netten Idee nicht im Weg zu stehen, sie sogar zu billigen, bedeutet nie und nimmer Aktivität.