John K. SamsonProvincial

Als im Oktober 2009 die erste von bis zu vier geplanten 7“-Platten von John K. Samson erschien, hüpften weltweit die Herzen von Indierock-Fans ganz aufgeregt auf und ab. Der Sänger der Weakerthans, solo, reduziert, nur er, seine Stimme, die Gitarre und ein bisschen Beiwerk. Ganz viel Raum für seine wunderbaren Texte also, die schon in der Vergangenheit regelmäßig in Tagebücher, Liebesbriefe und an die Hirnrinde geschrieben wurden, wenn mal wieder gar nichts zu funktionieren schien.

Die Idee, ein Quasi-Album aus vier Einzelveröffentlichungen entstehen zu lassen, wurde dann jedoch bedauerlicherweise irgendwann zwischen September 2010 und dem darauffolgenden Sommer aufgegeben. Stattdessen nun also doch ein richtiges Album, das aber immerhin dem grundsätzlichen Thema der EPs treu bleibt: Das Leben, Existieren und Herumfahren in und um Winnipeg, Samsons hassgeliebter Heimat.

Das ist im Prinzip auch gar nicht groß verwunderlich, da sechs der darauf enthaltenen zwölf Songs dem fleißigen 7“-Sammler bereits bekannt sein dürften, auch wenn sie alle noch mal eine neue Aufnahme spendiert bekommen haben. Lediglich die ursprünglich erwartete Ruhe ist ein Stück weit verloren gegangen: Mit „When I Write My Master’s Thesis“ und „Longitudinal Centre“ haben sich zwei Songs eingeschlichen, die ohne weiteres auf einem Weakerthans-Album zu finden sein könnten. – aber das ist natürlich nicht weiter schlimm, schließlich ist der Qualitätsanspruch dort ähnlich hoch. (Und da der Autor dieser Zeilen sich auch gerade viel besser eine Runde „Grand Theft Auto“ als das Schreiben seiner Mastarbeit vorstellen kann, gibt’s für den erstgenannten Song ein paar Bonuspunkte.)

Samson schafft es wie auch bei seiner Hauptband scheinbare Alltäglichkeiten, die vermutlich jeder so oder ähnlich schon einmal erlebt hat, in Worte zu fassen, ohne dass diese allzu banal klingen. Sicherlich klingt es im ersten Moment wenig verlockend, einen Song über die Leiden eines jungen Computer- und Videospiel-Nerds zu hören, doch dann hört man ihn und weiß plötzlich genau, wie sich das anfühlt – auch wenn man vielleicht ansonsten keine Ahnung hat, was „Call of Duty 4“ eigentlich ist („Stop Error“).

Einige Zeilen, die Samsons poetisches Talent vielleicht am anschaulichsten darstellen, stammen aus „Heart of the Continent“, einem der alten EP-Songs. Bitte kurz wirken lassen: „Inky bruises punched into the sky by bolts of light / and then leak across the body of tonight / while rain and thunder drop and roll, then stop short of a storm / leave the air stuck with this waiting to be born / as I stand before an unresponsive automatic door / just another door that won’t open for me anymore / the exit red gets brighter then blinks off / presses me into the crumpled dark“.

Fertig?

Gut. Überhaupt gehört „Heart oft the Continent“ zu Samsons bisher schönsten Werken; eine Einschätzung, die sich übrigens auch auf das nicht weniger todtraurige „The Last And“ übertragen ließe.

Ohnehin fällt es schwer, schwache Momente auf „Provincial“ auszumachen. Klar, gerade musikalisch wird das Rad nicht gerade neu erfunden, zumal der langsam etwas ermüdende Trend, reichlich Streicherteppiche zu verlegen, auch vor Samson nicht halt gemacht hat. Aber nun, so richtig übel nehmen kann man ihm das am Ende nicht. Schließlich brauchen wir ihn und seine Texte, für Herz, Hirn und Briefverkehr. Und für die Tage, an denen mal wieder gar nichts funktioniert.

73

Label: Grand Hotel van Cleef

Referenzen: Craig Finn, The Weakerthans, Rocky Votolato, Frank Turner, Maritime

Links: Homepage | Facebook | Albumstream

VÖ:27.01.2012

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