Die Türen waren mal kaum mehr als eine Witzband, eher lächerlich als witzig. Angefangen vom plakativen Nonsens des Bandnamens über die möchtegern-soulige Attitüde und den offensiven Umgang mit Codes der Proletenkultur bis zum albernen Gehabe von Sänger Maurice Summen. Wenn schon Alben Namen tragen wie „Unterwegs Mit Mother Earth“, was will man da erwarten außer Schabernack?

Aber der lustige Schein trog schon immer – schließlich gründeten sie das nicht zu verachtende Label Staatsakt – und spätestens mit dem dritten Album „Popo“, das Aldi- und Wurstkultur in einen linkspolitischen Kontext rückte, näherten sie sich mitsamt ihrem Humor einer ernsteren, auf jeden Fall ernster zu nehmenden Stilistik an, die nun auf „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“ (Türen-Albentitel sind schon ziemlich deftig …) ihre logische Fortsetzung findet. Prekariatsprobleme und -ängste finden sich dabei genauso wieder wie beißende Kritik an Lohas–Selbstgefälligkeiten, garniert mit viel Dada und dem Mut zum (Allzu-)Naheliegenden.

Entsprechend launisch flirren die Songs, sowohl durch Sounds als auch in den Texten, an das Ohr des Indiehörers, dessen Welt ja leider zu anfällig ist für den neumodisch penetranten Selbstverwaltungskapitalismus. Das Album mit dem krautrockig ausufernden „Rentner Und Studenten“ zu beginnen, zeugt auf jeden Fall von Mut: Sich durch einen wenn auch eingängigen 11-Minuten–Klotz erst zum Album vorkämpfen zu müssen ist nicht Jedermanns Sache. Obwohl die referenzschweren Slogans („Wissen ist Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Was ist der Mensch? – Ein Rententier!“) definitiv zünden. Die leeren Schilder der dazugehörigen Mockumentary (auch wenn dabei nur eine abgespeckte Variante des Songs als Grundlage dient) verweisen auf das Grundproblem der politisierenden Türen: Ist das doch nur Kunst? Oder nur Politik?

Die weiteren Songs warten auf mit Soulgeigen („Leben Oder Streben“, „Alles Nicht So Schlimm“), Saxophon („Was Passiert“, „Schwarzgelbes Unterseeboot“), Schweineorgel („Pop Ist Tot“), HipHop („Dieses Lied“) und ziemlich viel Piano (u.a. „Alles Nicht So Schlimm“). Nichts scheint den Türen peinlich zu sein, musikalisch wie textlich. Das ist sowohl Stärke wie Schwäche. Eine Gratwanderung, die seltsame Ambivalenzen produziert, wie im getragenen „Über Den Tellerwäscherrand Zum Millionär“: „Und so reite ich auf dem Pferd/ auf dem einst Joachim Witt/ in die Psychiatrie ritt/ Aber ich reite zu dir/ in unser Raumschiff/ auf dem Schimmel Of Love/ Schimmel der Liebe.“ Das ist tatsächlich, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht gern hören, ein charmant dekontextualisierter und damit relevanter Witz. Generell: Politisierter Humor mit Hang zur Peinlichkeit. Wie in „Schwarzgelbes Unterseeboot“, dessen geiles Riff sich durch Zeilen wie „Wo kommst du denn her, du süßes Ding?“ und „Erste Strophe, erster Fall/ Erstmal Bier holen gehen/ sprach der Punk zur Postbank/ und die Post ging ab.“ (na ja …) in tagespolitisch gefärbte Popreferenzen wie Beatles und Tic Tac Toe (Gesang: „Das find ich scheiße – Chor: „Sowas sagt man nicht!“) eintaucht. Und so klingen die starken Songs! „Don’t Google yourself“: „Never mind the Menschmaschine/ Hier kommt die Suchmaschine.“

Die Goldenen Zitronen in prollig, Deichkind minus Partyballerei, Tocotronic in seichter Kunst, Ja, Panik in albern, das sind Die Türen. Sie machen das gut, sie haben was zu sagen und „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“ huscht (zumeist) nicht unangenehm und (zumeist) nicht allzu peinlich an einem vorbei. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ihr Stil. Dafür darf man sie schätzen, muss es aber nicht. Ein Songtitel der Vorgängerplatte scheint so etwas wie ihr Credo zu sein: „Sei schlau, bleib dumm“.

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Label: Staatsakt

Referenzen: Die Goldenen Zitronen, Deichkind, Ja, Panik, Mediengruppe Telekommander, Udo Lindenberg

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VÖ: 10.02.2012

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