Youth LagoonThe Year Of Hibernation
Braucht die Welt ein weiteres Album dezent verwischten Lo-Fi-Dreampops? Die Frage ist so wenig beantwortbar wie überflüssig. Vielleicht könnte man sich ja auf einige Dinge einigen, die sie definitiv weniger braucht, Soloalben der Gallaghers zum Beispiel oder die dazugehörigen Titelstorys der altehrwürdigen Musikgazetten, denen anscheinend schon seit Längerem partout nichts Nneues mehr einfallen mag. Ein angekündigtes, brandneues Album von Mazzy Star, und hier nähern wir uns wieder dem Referenzrahmen Youth Lagoons, stellt hingegen durchaus größeren Grund für Euphorie dar.
Nun gut, fest steht jedenfalls: da ist es einfach, „The Year Of Hibernation“, das Debütalbum des 22jährigen Trevor Powers, wieder mal so ein bemitleidenswertes Wunderkind, das unter Angstzuständen leidend sämtliche Spuren seiner traurigen Lieder im heimischen Schlafzimmer selbst einspielte. Doch wollen wir uns dem Werk lieber nähern, ohne dabei der ollen Geschichte von der leidenden, krankhaften Künstlerseele auf den Leim zu gehen. Denn Angstzustände sind ganz bestimmt eine schlimme und nicht zu heroisierende Sache, die das Werk eines Musikers beeinflußen können, jedoch nicht der alleinige Grund für dessen Talent, aufregende oder berührende Songs zu schreiben, sind.
Das Meiste an „The Year Of Hibernation“ klingt nicht nur auf den ersten Blick mehr als genrekonform und ziemlich niedrigfidelisch, verrauschte elektrische Pianos und Orgeln, Glockenspiel, minimalistische Drum-Machine-Beats und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man, sozialisiert von Hope Sandoval bis Victoria Legrand, sogar meinen, hier sänge eine Frau anstelle eines 22-jährigen Jünglings gegen die tonnenschwere Staubdecke aus Hall an. Hier und da könnte man nicht zu Unrecht sogar einwenden, dass sich die Platte etwas zu sehr an den Blaupausen und Säulenheiligen seines Genres anlehnt. Außerdem könnte man sich fragen, ob nicht beispielsweise ein echtes Schlagzeug anstelle der klapprigen Drummachine den Songs anstelle von Lo-Fi-Appeal deutlich mehr Leben verliehen hätte.
All das könnte man sicherlich bemäkeln, wären da nicht ein paar simple aber ausschlagkräftige Argumente und Eigenschaften, welche die Lieder Youth Lagoons besonders auszeichnen. Anders als vielen seiner Kollegen gelingt es Powers nämlich, so etwas wie Spannungsbögen aufzubauen, diese in zum Teil wunderhübsche Melodien zu überführen und seine Songs so letztendlich vor der in diesem Genre so gefährlich nahe liegenden Langeweile zu bewahren. Niemals wird der Dreampop hier zu Chillwave oder wagt es, Redundanz als Psychedelik zu tarnen. Die Lieder auf „The Year Of Hibernation“ haben Hand und Fuß, spielen hin und wieder den alten Postrock-Trick der langsam anschwellenden Songstrukturen, um sich am Ende in sakraler Schönheit aufzulösen. Bestes Beispiel hierfür ist wohl das hymnische „Montana“, das aus ziemlich simplen Klaviermotiven eine unfassbar wuchtige Dynamik entwickelt und die ohnehin schon eindringlich leidende Stimme Powers‘ so in eine anmutige, beinahe spirituelle Aura hüllt.
Wenn sich – um doch nochmal auf die eingangs erwähnte Frage zurückzukommen – im derzeit so hippen Dreampop-Kosmos, in dem sich Youth Lagoon ganz unmissverständlich bewegt, so langsam die ersten Ermüdungserscheinungen einstellen, lässt man sich in diesen kalten Tagen von „The Year Of Hibernation“ sicherlich gerne und mit einem seligen Lächeln in den Schlaf betten.
Label: Lefse
Referenzen: Beach House, Mazzy Star, Galaxie 500, Wye Oak, Lower Dens, Cocteau Twins
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VÖ: 18.11.2011
Sehr gute Plattenkritik, trifft den Nagel auf den Kopf.
Klasse!
[…] didn’t consider a live audience while I was making it“, sagt Trevor Powers über sein Debüt „The Year Of Hibernation“. Am Freitagabend spielte er im Gebäude 9 sein erstes Deutschlandkonzert und zeigte, dass der […]
[…] mehr als zwei Jahren agiert Trevor Powers unter dem Namen Youth Lagoon. Sein Debüt („The Year of Hibernation“) erschien im Herbst 2011 und zeigte sich weitaus minimalistischer als nun der Nachfolger, der im […]