ASAP RockyLiveLoveA$AP

Er ist der Auserkorene, der den New-York-HipHop retten soll. Nur allzu bereitwillig erzählt deswegen ASAP in Interviews von seinem Multimillionen-Dollar-Deal mit RCA/Sony, denn spätestens seit diesem Mixtape ist er ganz oben dabei in einem Spiel um Gunst, Macht und Aufmerksamkeit. ASAP drückt das natürlich nicht so zusammenfassend nüchtern und kategorisierend aus:  „Your bitches said that I’m hot, man I told her I agree“, heißt es da in seiner Vorabsingle „Peso“ und gibt damit die Marschrichtung vor, die sich textlich in der üblichen Melange aus Abwertung anderer („fuck a goon and a goblin“) und Aufwertung des Selbst erschöpft.

Der 23 jährige spielt ein altes Spiel, bedient sich der Codes der Straße, die er mutmaßlich repräsentiert. Aus jedem seiner Sätze quillt sein Machtanspruch, das Gefühl der Überlegenheit. Wenn es um Betäubtheit geht, war bloß Weed zur Stelle. Es sind Texte, die vor ihm erfunden wurden und die er von vielen gelernt hat. Eben: „Get rich or die tryin‘“. Nie geht es um Politisches, das hier ist kein „conscious rap“, sondern die hedonistische Variante. Die Tracks sind immer ein Spiegel, um sich selbst darin zu gefallen. Das ist natürlich höchst narzisstisch und bisweilen auf die Dauer unerträglich, aber seit vielen Jahren der Standard Küste aufwärts, Küste abwärts, Ost und West. Vielleicht darf man diese textliche Ästhetik auch deswegen nur minimal kritisieren, sie ist eben Kulturgut des Mainstream-HipHops und hier nicht einmal in einer besonders plumpen Form zu hören. Denn eine merkwürdige Zerrissenheit charakterisiert dieses Album: Zugleich bedient er humorlos die Klischees von Selbstsucht und männlicher Dominanz (vor allem Frauen – Pitchfork hat nachgezählt, es sind derer 56 auf seinem Tape – sind pure Lustobjekte, die sich bereitwillig dahin setzen, wo er es gerne mag), verrät aber an manchen selbstironischen Stellen (z.B. „Kissin‘ Pink“), dass er genau durchschaut, welches Spiel er sich zu Eigen macht.

Abgesehen vom Dilemma des textlichen Grundparadigmas spart ASAP bislang auch noch an den wirklich wortgewaltigen Passagen, den gänzlich überzeugenden Raps, die entsprechend dunkler, böser oder lustiger ausfallen müssten, um sich mit den Größen des Business‘ messen zu können Auch seine Stimme ist nur Durchschnitt, dunkel und variabel zwar, aber doch unauffällig im Vergleich zu den unverwechselbaren.

Was also macht sein Tape „LiveLoveA$AP” zu einem der meistumjubelten des Jahres?

Es ist vor allem die Cleverness, sich mit spannenden Produzenten abzugeben, die seine Tracks unter dem Strich dann doch hörenswert gestalten und darüber hinaus. Mit Mentor Drake ist er auf Tour, sein Netzwerk ist von Geschmackssicherheit im musikalischen Sinne geprägt. Er hält sich nicht lang auf mit bereits im Mainstream etablierten Ästhetiken, sondern sucht die untergründige Variante, das Düstere, das Verwegene, das, was landläufig noch als „cool“ gilt. Neben seinem telegenen Gesicht dürfte es genau das sein, was auch ein Major Label auf den Plan gerufen hat: frische, aber nie bemüht innovative Klänge als Investition auf die Zukunft. Ein Marketingkalkül, das aufgehen könnte, denn die Produktionen werden sich nie als zu absurd, gefährlich oder rasant für das breitere Publikum erweisen. Hier wurde bloß die ganze Glaubwürdigkeit des Untergrunds mitgekauft.

Während ein anderer Drake-Protegé, The Weeknd, ein bisschen auf den übersexualisierten R’n’B der 90er und auf die Abgründe von Witch House setzt, lässt sich ASAP meist geschmackvoll abgehangene Beats schneidern. Auf Samples und geschmeidige Soulpassagen verzichtet er komplett. Beautiful Lou liefert rundliches Gebimmel und stimmungsvolle High-Noon-Gitarren samt Oldskool-Scratches und beweist sein Können zwischen aktuellem Produktionsklang und historisch Gewachsenem. Sofein3000 hingegen serviert narkotische Sounds mit dramatisch verzerrten Vocals. Eine Mischung, die jedoch die Odd Future-Crew erschreckender produziert.

Vor allem sind es die Songs, die in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Beatzauberer Clams Casino entstanden sind, die herausragen. „Palace“, „Demons“ oder „Wassup“ haben im Detail großartige Melodien, Atmosphären und Beats zu bieten, sind als Instrumentals schon spannend genug (wir empfehlen den Download der kostenlosen Instrumentals von Clams Casino). „Leaf“ arbeitet mit gefährlichen Untiefen, „Bass“ mit famos widerspenstig hinterherschlurfenden Beats, derer mehr man sich für das Debütalbum nur wünschen kann.

Was die Texte an Formelhaftigkeit zuviel haben, wiegt die musikalische Seite entsprechend auf und macht dieses kostenlose Tape zu einem der wenigen Pflichtdownloads des Monats.

78

Label: Keins

Referenzen: Main Attrakionz, The Weeknd, Domo Genesis, Odd Future, Drake, Big K.R.I.T.

VÖ: 31.10.2011

Links:  ASAP Rocky | Download

5 Kommentare zu “ASAP Rocky – LiveLoveA$AP”

  1. Laslo sagt:

    ein sehr sehr gelungener review, wie ich finde

    habe mir genau das selbe gedacht

  2. […] Motivation Mixtapes, die eigentlich komplette Alben waren, gab es besonders in der HipHop-Szene: ASAP Rocky, Clams Casino, Frank Ocean, The Weeknd, The Internet oder Main Attrakionz – der Tonträger als […]

  3. […] Los Campesinos! – Hello Sadness Referenzen: A Silver Mt. Zion, Xiu Xiu, Drake, The Beautiful South, Blink-182 […]

  4. […] The Weeknd, bürgerlich Abel Tesfaye, geht noch einen Schritt weiter. Seine zwei Gratisalben katapultierten ihn 2011 aus der gänzlichen Unbekanntheit ins Gedächtnis wichtiger Künstler und die Top-Ten-Listen von großen Publikationen wie Billboard oder der New York Times. Kürzlich kapitulierten seine Server wegen Überlastung, als das kanadische R’n’B-Talent am 21. Dezember den letzten Teil seiner Trilogie veröffentlichte. Wieder steht sein geistiges Eigentum im Internet zum kostenlosen Download bereit. Die 25000 Pfund, die Abel Tesfaye angeblich schon als Gage für einen Gig angeboten wurden, könnten wohl einige Produktionskosten ausgleichen. Pay-what-you-like- und Gratis-Alben, das waren 2011 etablierte Kickstarter – siehe Clams Casino, Frank Ocean oder ASAP Rocky. […]

  5. […] sein Bruder vor der Haustür erschossen; er beginnt, das Rappen ernster zu nehmen. Dann folgen sein Mixtape und der Millionendeal mit RCA. 2012 schließlich der offizielle “Aufstieg” zum […]

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