Auch wenn man nicht jedem der zahlreichen Haken und Windungen auf ihren bis zum 2009er Werk „I’m Going Away“ im Jahrestakt erscheinenden Alben ausnahmslos folgen konnte oder wollte, muss man sich wohl eingestehen, dass es sich bei den Fiery Furnaces keinesfalls um eine gewöhnliche Indiepopband handelt. Anders als gefühlten 95% der Musiker ihrer Generation gelingt es den Geschwistern Friedberger nämlich, all die Elemente, die sie sich aus der Popmusik der 60er und 70er Jahre zusammengeliehen haben, zu einem völlig neuen, manchmal ziemlich verworrenen Ganzen zusammenzusetzen und so, ohne zu historisieren, irgendwo zwischen Prog, Psychedelic und Pop eine eigene Sprache zu finden.

Eleanor Friedbergers Beitrag musste dabei jedoch zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung leider immer ein wenig hinter dem überbordendem Wahnwitz ihres Bruders Matthew (der für dieses Jahr nebenbei bemerkt ganze acht Alben in einer Art Abo angekündigt hat) zurückstecken. Spätestens mit ihrem nun endlich auch hierzulande erscheinendem Solodebüt „Last Summer“ sollte dieser Zustand als weniger beachtete Nummer zwei der Fiery Furnaces aber endgültig der Vergangenheit angehören. Über die Rollenverteilung innerhalb der Band indes, hier der ADHS-geschädigte, sympathisch größenwahnsinnige Matthew, dort die vergleichsweise eingängigen Melodien verschriebene Eleanor, dürften nach diesem im besten Sinne geradlinigem Pop-Album jedoch auch weiterhin keine Streitigkeiten entstehen.

Reduzierter als zusammen mit dem großen Bruder beschwört „Last Summer“ ein wenig den Geist großer Songwriter-Pop-Alben der frühen 70er und lässt die Melodien auch dort in der Spur bleiben, wo sie bei der Hauptband längst um die nächste Ecke Richtung Irrsinn abgebogen wären. Die Instrumentierung erscheint basierend auf Klavier und Gitarre zunächst recht klassisch und elegant, jedoch sorgen blubbernde Orgelparts und altmodische Synthesizer immer wieder für etwas psychedelische Auflockerung. Auch ein Saxophon gipfelnd in einem Solo im schwer hitverdächtigen Opener „My Mistakes“, darf im Sax-Jahr 2011 natürlich nicht fehlen. Auf Streicher wird hingegen zugunsten der Leichtfüßigkeit ausnahmsweise einmal verzichtet. Bei diesem retroverdächtigen Versuchsaufbau sticht  besonders hervor, dass sich einem in nahezu keinem Moment irgendwelche direkten Referenzen oder Zitate aufdrängen. Alles klingt irgendwie vertraut, doch nie weiß man eigentlich woher. Eleanor Friedberger bedient sich zwar ausgiebig in der Vergangenheit, lässt diese aber auf zauberhafte Weise wie Gegenwart erscheinen, womit wir wieder bei den Fiery Furnaces und ihrer gänzlich eigenen Sprache angelangt wären.

Überhaupt Sprache. Die ist nämlich, neben den tollen Melodien und ausnahmslos gelungenen Songs das große Thema dieses Albums, welches sich, wie beim Blättern eines Fotoalbums, durch Eleanors hauptsächlich in ihrer Heimatstadt New York spielende Erinnerungen bewegt. Dadurch, dass sie ihre wortreichen und teils improvisierten Texte so unmittelbar um die Songs wickelt, als begegne man ihr nicht im Rahmen eines Pop-Albums, sondern am Telefon oder im Café, gelingt ihr das große Kunststück, in Vergangenem zu schwelgen ohne zu nostalgisieren und außerdem ein New-York-Album zu machen, das die Stadt ausnahmsweise einmal nicht zum lebendem Mythos verklärt. Jenseits von Williamsburg-Hipstern und Upper-Eastside-Klischees verschwimmen auf „Last Summer“ scheinbar wahllos die verschiedensten Namen und Ortsangaben und werden zu Plätzen, die dem Zuhörer so vertraut vorkommen,  als lägen sie, egal in welcher Stadt er sich gerade befindet, gleich hinter dem nächsten Häuserblock.

„Last Summer“ mag auf den ersten Blick geradliniger, ja konservativer erscheinen als die Veröffentlichungen der Fiery Furnaces. Die Fähigkeit zur eigenen Sprache jedoch behält Eleanor Friedberger sich bei. Das macht ihre Musik, ganz gleich ob nun im letzten Sommer oder doch November, nicht nur angenehm sondern unverzichtbar.

80

Label: City Slang

Referenzen: The Fiery Furnaces, Joni Mitchell, Carole King, Feist, Broken Bells, The Delgados

Links: Homepage

VÖ: 11.11.2011

5 Kommentare zu “Eleanor Friedberger – Last Summer”

  1. felix sagt:

    jap. ganz starkes album.

  2. „[…] werden zu Plätzen, die dem Zuhörer so vertraut vorkommen, als lägen sie, egal in welcher Stadt er sich gerade befindet, gleich hinter dem nächsten Häuserblock.“

    Ja ja ja, genau das ist die große Qualität dieser tollen Platte. Sehr schön herausgestellt.

  3. Lisa sagt:

    Dieses Album ist wirklich der Hammer!! Überhaupt die Sängerin – für mich gibt es keine Bessere und wird es auch nie mehr geben! Es kommt mir so vor, als singt sie das, was ich schon immer gedacht habe – auch die Alben zuvor aka The Fiery Furnaces – ich hab sie alle! Danke, dass es sie gibt. Nun muss sie nur noch nach DE kommen und alles wäre perfekt! :)

  4. […] – http://www.popmatters.com/pm/review/144684-eleanor-friedberger-last-summer Auftouren.de – http://www.auftouren.de/2011/11/01/eleanor-friedberger-last-summer/ GA_googleAddAttr("AdOpt", "1"); GA_googleAddAttr("Origin", "other"); […]

  5. […] Summer“, so hieß Eleanor Friedbergers erstes Soloalbum, wäre auch für den Nachfolger ein passgenauer Name. Während es so scheint, als habe ihr Bruder […]

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