Der Liedschatten (42): Verliebt Euch öfter!


So langsam wird es heimelig. Bekannte Gesichter allerorten. Letzte Woche der Ronny, heute dann Cliff Richard. Und wie ist es doch angenehm, auch hinsichtlich der Art des Hits nicht plötzlich mit allerlei Unvorhergesehenem konfrontiert zu werden.

Cliff Richard “Das ist die Frage aller Fragen”, Januar – Februar 1965

Da macht man sich’s gerne bequem, da wird’s so richtig gemütlich, und Sorgen gibt es keine, nein, höchsten die schönen, süßen, großen Träumereien, da kann man in sich gehen und nachdenklich werden … so spricht zumindest die Versuchung. Ihr nachgeben, lohnt das? Immerhin schickt sich Herr Richard an, die Frage aller Fragen zu stellen, sollte da nicht aufgehorcht werden? Und welche ist die „Frage aller Fragen“? „Das ist die Frage aller Fragen / und du mußt mir die Antwort sagen / und darum frage ich / komm und entscheide dich / wirst du genau wie heut’ / für heut’ und alle Zeit / für alle Zeit mir treu sein / nur darauf kommt es an / oder morgen wird es / vorbei sein“. Wie forsch!

Dank der großartigen Erfindung des Internationalen Phonetischen Alphabets durften sich also die Plattenkäufer der BRD mit DER Frage schlechthin befassen, und wie auch immer die Antwort ausgefallen sein mag, sie lautete gewiss nicht „42“ und kann also, ihr habt es vielleicht schon gemerkt, gar nicht DIE Frage gewesen sein. Deren Gegenstand ist außerdem, wie wir seit Douglas Adams wissen sollten, das Leben, das Universum und der ganze Rest, und die Antwort lautet eben: „42“. Wie die Frage hingegen lautet, ist noch immer unbekannt, das aber erst seit 1978.

fragen_richardDer Protagonist des Liedes wäre also entschuldigt. Ihn interessiert nur die Treue, und zwar so sehr, dass er vergisst, selbst die Vermeidung eventueller „Fehltritte“ zu geloben. Er sieht sich nicht dazu veranlasst, unvorhergesehenen Liebschaften abzuschwören, und später wird er dann sagen: „Ja, aber ich dachte, das versteht sich doch von selbst, und nun, ich mag mich geirrt haben, aber habe ich denn je etwas versprochen? Nein. Aber Duuuuu!“, so in etwas in der Art. Vielleicht wird er das „u“ beim „Du“ nicht ganz so lang ziehen. Könnte aber sein.

Doch sollte nicht auch noch daran gemahnt werden, dass er vielleicht tatsächlich ewig treu zu bleiben beabsichtigt und vermag? Jaaa … von mir aus. Und klar „verleiht das Lied sicher nur dem Wunsch einer von Nachkriegswirren und durch ihre Eltern, die diesen ausgeliefert waren, gebeutelten Jugend“ (Sebastian Schreck) nach Sicherheit Ausdruck etc. pp. Wünschten sie sich nicht einfach das ihren Erzeugern aufgrund der Teilnahme an missglückten Eroberungsfeldzügen versagt gebliebene Glück?

Schon möglich, womit wir dann endlich die Banalitäten hinter uns gebracht hätten.

Es handelt sich bei dem vorliegenden Stück, wie schon so oft, um die Coverversion eines Songs mit eigens dafür verfasstem deutschen Text (ich sollte mir hierfür langsam ein Kürzel überlegen). Das dazu gehörige Original ist „Spanish Harlem“, verfasst von Jerry Leiber (bekannt durch seine geradezu klassischen Arbeiten mit Mike Stoller) und Phil Spector (bekannt durch seine Produzententätigkeit, die Ästhetik des „Wall Of Sound“, das Hinzufügen von Frauenchören auf einem Beatles-Album und ferner den recht laxen Umgang mit Schusswaffen und seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe aufgrund Mordes. Außerdem Träger extravaganter Perücken, unter dem sein stechender Blick besonders gut zur Geltung kommt.) und vorgetragen durch Ben E. King (einst bei The Drifters, überaus bekannt durch den Song „Stand By Me“, geschrieben von Leiber & Stoller).

Die undeutliche Romantik (Nur noch eine kleine Klammer, wir hatten uns doch schon daran gewöhnt … nicht? Nein? Okay, okay …) des Stückes lässt sich in der deutschsprachigen Version nicht einmal erahnen. Sie wird bestimmt durch die nicht unbedingt kleine Metapher der Rose, die ein Protagonist zu pflücken wünscht, um ihr Wachstum in seinem Garten zu betrachten. Besonders an dieser Rose ist ihr Dasein abseits der Sonne, nur des Nachts kommt sie heraus. Er selbst aber könne nicht anders, er müsse sie pflücken. Das aber ist nicht nur Ausdruck eines Besitzanspruches, sondern ebenso des Wunsches, Fürsorge zu tragen, soll sie doch weiter wachsen, die Blume. Auch legt die musikalische Untermalung (Nur no…autsch!) dies nahe.

Spanish Harlem, ein Bereich, in dem zu großen Teilen Migranten puerto-ricanischer Herkunft leben, war nicht unbedingt ein „Garten“, sondern ist auch heute noch ein von Armut, Bandenkriminalität und Drogen und gebeutelter Bezirk New Yorks. Eine „Blume“ von dort wegzuholen dürfte einem Liebenden als löbliches Unterfangen erscheinen, wobei damit noch lange kein einziger Misstand beseitigt sein dürfte, aber hey!, wenn es genügend Verliebte gäbe, dann würde sicher stets irgendwer für irgendwen Sorge tragen wollen, und recht vielen wäre geholfen. Verliebt Euch also ruhig ein bisschen öfter, es muss ja nicht immer in denselben Menschen sein.

Begeben wir uns von da aus aber noch einmal ein wenig ins Abseitige, hin zu der großen Frage, die bereits mit „42“ beantwortet wurde, ohne bekannt zu sein. Eine womöglich weitere Antwort liefern die von Euch in sicherlich unterschiedlich starkem Maße geschätzten und an dieser Stelle nicht erwarteten Kassierer mit ihrem musikalisch ganz okayen, textlich aber mehr als brillanten Stück „Das Leben Ist Ein Handschuh“.

Das verwendete Foto stammt von Stephen Beadles, ein Portfolio gibt es hier.

Ein Kommentar zu “Der Liedschatten (42): Verliebt Euch öfter!”

  1. Spanish Harlem ist ein Stück, das man nicht kleinkriegen kann. Weder durch eine schräge deutsche Inkulturation oder einen gar schmalzigen Gesang (was im Falle von Cliff Richard nicht zutrifft, den dafür andere Versionen aufbieten). Ein Klassiker.

    Man lernt nie aus. Hatte beim Hören des Liedes noch nie an Spanish Harlem als Problembezirk gedacht.

    So langsam bietet deine Rubrik mehr fürs Töpfchen als fürs Kröpfchen.

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