Future IslandsOn The Water

Inzwischen muss man ganz schön altbacken und ewig gestrig oder wegweisend (wer weiß …) oder aber zumindest eigen sein, um ernsthaft mit New Wave und Post-Punk anzukommen. Die Messen sind zu gesungen, der Turnus schlägt ins Gegenteil aus, der Zeitgeist lässt die Finger davon.

Die Future Islands erzeugen schon zwei Alben lang schönste New-Order- und The-Cure-Impressionen, süß trällernde Synthies, verspielte Bassläufe, Discorhythmen, erwähnte ich die Synthies schon? Diesem Sound hat sich die Band – wir unterstellen es ihnen einfach aus der Qualität, die ihre Musik atmet, heraus – mit Leidenschaft und Inbrunst und entgegen aller Trends verschrieben. Diesem Sound bleiben die drei Amerikaner auch auf ihrem dritten Werk, „On The Water“, treu. Nur sind die Songs impressionistischer, atmosphärischer, ruhiger geraten.

Die Stimme von Sänger Samuel Herring croont dabei wie eh und je markant und eigen wie ein Geschichtenerzähler, dem alle Kinderohren nicht anders als gebannt lauschen können, tief, angekratzt und warm. Er singt schwer fassbare Ahnungen von Meer und Melancholie (seit jeher eine naheliegende Kombination), verflossener Liebe, wehenden Winden und wahllos wogenden Wellen. Entsprechend lang braucht am Anfang von „On The Water“ der Titeltrack, um geleitet von einem Schifferklavier Fahrt aufzunehmen, entsprechend lang braucht das Album nach den Synthies und Geigen und Synthie-Geigen des letzten Stückes „Grease“, um zu verklingen. Dazwischen: Galant verzögerte Echoeffekte und hohe Disco–Bassläufe in „Before The Bridge“ („I heard the moon is listening“), „The Great Fire“, ein lang gezogenes Duett mit Jenn Wasner von Wye Oak, in dem Herring den Lekman gibt, und viele Balladen voller Glockenspielgeklimper („Where I Found You“), die sich auch mal an Power-Refrains versuchen, die wie eine Schülerband-Version von U2, also ziemlich gut, klingen („Give Us The Wind“), und reine Synthie–Impressionen, die sich gar nicht erst die Mühe geben, Song sein zu wollen („Tybee Island“). Einzig die Uptempo–Exkurse „Balance“ – der beste New-Order–Song seit einer Ewigkeit – und „Close To None“ lugen aus dem ruhigen Gewässer heraus. Wobei dem sechsminütigen „Close To None“ die Sonderrolle zukommt, in der ersten Hälfte einzig aus Synthieflächen zu bestehen. Erst nach drei Minuten setzt ein Beat ein, nimmt Fahrt auf und lässt eine wunderbare Discohymne entstehen, in der Herrings Stimmen sich genüsslich und durcheinander überschlagen.

Weder ist New Wave tot, noch stinkt es. Nur gealtert ist dieses Genre, gesetzter, ruhiger, reifer geworden. Einen eigenen Kopf hat New Wave bekommen, einen noch eigeneren, kantig und ausgefeilt vom vielen Denken und Erinnern. Perfektionierung von Gefühlen, Baden in Ahnungen, die Future Islands schwimmen zu ihrer eigenen Insel durch das Meer des Gestern. Kein Zeitgeist konnte bisher dem Wasser etwas anhaben und wenn schon selbst im tonnenschweren Zauberberg das Meer bar jeglichen Kontexts einen Abschnitt bekommt, so sehe ich keinen Grund, warum das kollektive Gedächtnis „On The Water“ absaufen lassen sollte. Dafür sind die Future Islands zu gut und zu stimmig.

77

Label: Thrill Jockey

Referenzen: New Order, The Magnetic Fields, Jens Lekman, The Cure, Human League

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VÖ: 14.10.2011

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