RustieGlass Swords

Rustie ist erst Ende 20, aber als Beatmessie ist er schon ein paar Jahre Großmeister. Auf seinem Laptop sammelt er Skizzen, irrsinnige Samples und zurechtgebogene Beats, es sieht aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. So steht der Glasgower nun vor dem riesigen digitalen Scherbenhaufen und auf einmal glühen die Synapsen seines Hirns. Die zündende Idee: Statt Tine Wittler oder das Entrümpelungskommando von RTL2 vorbeizuschicken, lötet er die Fragmente einfach provisorisch zusammen und schickt sie mit kurzem Gruß zum Hip-Label Warp: „Schöne Grüße aus der Zukunft, sincerely Rustie“.

„Glass Swords“ ist zwar erst sein Debütalbum, aber mit dutzenden Singles und EPs ist der junge Schotte zumindest in eingefleischten Kreisen kein Unbekannter mehr. Wie auch, sind seine doch Tracks um Auffälligkeit bemüht, scharfkantig, vielköpfig und rasend bunt. So etwas fällt auf. Abstraktion und Dekonstruktion heißen seine Lieblingsspiele, erst an zweiter Stelle folgen fiese Quietscheentchen-Synthies, Rhythmen mit Knoten im Bein und fette Wonky-Bässe, die sich selbst in die Magengrube schlagen.

Klingt komisch? Klingt komisch.

Nö. Wer beim Trance-Riff von „After Light“ (Track 10) angekommen ist, wundert sich selbst darüber nicht eine Sekunde. Denn vorher wurde schon zuhauf retrofuturistisch musiziert, im permanenten Verlangen, die Schrecken der 80er Jahre um ein Vielfaches zu übertreffen: Gepitchte, aber cleane Synthies, klebrige R’n’B-Anleihen, 8-Bit-Videospiel-Schnipsel, pfeifenden Disco-Synthies. Dieser HipHop-Wahnsinn hat Methode. Alles wirbelt, alles attackiert so tollwütig, dass spätestens bei Song vier das Hirn wegen Overload nur noch traurig über der Reling hängt.

Dabei startet das Album noch recht freundlich – in den ersten zwei Minuten zumindest. Da gibt es bloß ein verhalltes Metal-Riff, man schaut noch schnell in der Kirche vorbei, bevor dann das Rauschen einsetzt, das bei „Flash Back“ dann direkt mit den erbärmlichsten Käsesynthies der Welt ins Vergnügen startet. Die ausgegebene Maxime lautet dabei: Ekelerregend, billig, geil.

Wer nach diesem Song nicht abgeschaltet hat, ist schon mitten drin in dieser kurios und unendlich überladenen Welt von Rustie. Der maximal ausreizt, aber dabei oftmals auch übertreibt. Dort regiert das funkige „Hover Traps“, werden Rave-Tunes aus des Müllmanns Hose geholt und läuft der Sequenzer auf Exzess. Schnatternd brechen die Songs auseinander, überschlagen sich und wissen danach nicht mehr, wer oder was sie überhaupt sind: Neon-R’n’B? UK-Funky? Wonky? Ein Psychologe würde wohl ADHS diagnostizieren und hoffen, dass er denen nicht noch einmal über den Weg läuft. Denn über weite Strecken ist „Glass Swords“ ein enervierender Mix, noch knalliger als viele Entwürfe des Kollegen Hudson Mohawke. Der jedoch versteht es eine gewisse Coolness im Subtext zu erzeugen, die dem Ganzen eine Ebene mehr hinzufügt, wo Rustie nur „rasant“ kann.

Das euphorische „Globes“ ist entsprechend im Grunde ein schlichter Täuschungsversuch, denn auch dieser Track schmeißt sich nach ein paar Sekunden auch die Smileys rein. Aufgedreht und überdreht wie der Kirmesrocker „After Light“. Und wenn man glaubt, es könne nicht mehr ärger kommen, dann steht plötzlich so ein kirrer Hit wie das nervös zuckende „Ultra Thizz“ vor der Tür. Zunächst noch charmant mit Handclaps, später tönend wie ein gefräßiger Schredder, in dessen Rachen ein Feuerwerk entzündet wurde. Alles explodiert, stiebt auseinander, fängt Feuer. Spätestens dann wundert einen hier nichts mehr. Gleich mal das Licht ausknipsen. Diese CD „glows in the dark“, bestimmt.

73

Label: Warp

Referenzen: Hudson Mohawke, Aphex Twin, Tim Exile, Kuedo, Africa Hi-Tech, Ford & Lopatin

Links: Myspace | Label | Facebook | Albumstream

VÖ: 07.10.2011

Rustie – Ultra Thizz

2 Kommentare zu “Rustie – Glass Swords”

  1. Pascal Weiß sagt:

    Gestern zum ersten Mal gehört, in meinen Ohren sogar ne ganze Spur cooler als Mohawke;) Spektakuläre Platte, könnte auch für Fans von Daft Punk und Fuck Buttons von Interesse sein.

  2. Fuck Fuck Fuck Fuck! Das hier ist wirklich eine großartige Platte und wohl meine schlimmste AUFTOUREN-Fehlbewertung ever. Sorry. Neue Single kommt zwar nicht über Warp, aber ist nicht schlechter als der Rest. Bestimmt nicht. Zumindest, wenn man der B-Seite trauen darf: https://soundcloud.com/rustie/slasherr-numbers

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