BjörkBiophilia
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Referenzen:
Matthew Herbert, Glasser, Joanna Newsom, Barbara Panther, Dirty Projectors
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Autor: |
Jan Gerngross |
Für Elfen muss es schwer sein, älter zu werden. Nach und nach werden alle Kinder, die an einen geglaubt haben älter und nehmen einem die alten Geschichten nicht mehr ab. Und auch in den Herr-der-Ringe-Filmen fangen die seltsamen Fabelwesen zunehmend an zu nerven, mit ihrer geheimnisvollen Art, ihrer absonderlichen Sprache und ihrer gekünstelten Abwesenheit. Der Trick, durch Unnahbarkeit interessant und faszinierend zu wirken, funktioniert eben nicht lange. Und so muss sich auch die Elfe der Musikwelt Björk Gedanken machen, wie es weitergehen soll, wenn die alte Masche nicht mehr zieht.
Und Björk hatte viel Zeit sich Gedanken zu machen, vor vier Jahren erschien ihr letztes Album. In dieser Zeit ist allerdings auch viel passiert. Zu viel, als dass Björk heute noch etwas zu sagen hätte? Als „Volta“ 2007 erschien gab es das iPhone noch nicht, Radiohead hatten „In Rainbows“ noch nicht mit variablem Preis auf den Markt geworfen und Portishead sollten mit „Third“ auch erst ein Jahr später ein Werk abliefern, welches das Trip-Hop-Genre um etliche Facetten erweiterte. Nicht dass Björk an all diesen Entwicklungen unbedingt gerne mitgewirkt hätte, nein, dazu war sie immer schon zu entrückt und in ihrer eigenen Welt zu Hause. Doch schien sie Angst zu haben, zu lange weg gewesen zu sein, nicht mehr in die heutige Musikwelt hinein zu passen – jedenfalls ist dieser Gedanke naheliegend, wenn man sich Björks hochambitioniertes Multimediaprojekt „Biophilia“ vor Augen führt: Apps, Workshops, eine Film-Dokumentation, eine Website mit 3D-Animationen und aufwendige Liveshows mit speziell entwickelten Musikinstrumenten und Installationen gehören dazu. Doch was letztlich darüber entscheidet, ob all das überambitionierter Größenwahn ist oder ein geniales Konzept hinter allem steckt, ist das bloße Studioalbum selbst.
Und dieses scheint nach den ersten Durchläufen die Erwartungen sogar erfüllen zu können. In seinem Minimalismus erinnert es an Björks größte Tat „Vespertine“, wobei sich „Biophilia“ noch sperriger, noch unkonventioneller gibt. „Moon“ lässt einen an Joanna Newsom denken, Songs wie „Thunderbolt“ und „Hollow“ überfordern den Hörer auf positive Weise, und „Crystalline“ war als guter Song schon vorab bekannt. Man begreift noch nicht alles, aber hier kann etwas entstehen. Dass eingängige Melodien fast nicht zu finden und die Texte teilweise allzu nah am Kitsch sind, kann man zu diesem Zeitpunkt noch überhören.
Als sich Björks siebtes Studioalbum nach weiteren Durchläufen noch immer nicht entfaltet, beginnt man zu zweifeln. Funktioniert es etwa nur nachts? Unwahrscheinlich. Oder wird es auf Kopfhörern gehört interessanter? Soll’s ja geben. Aber es hilft alles nichts. Songs dürfen eben nicht nur interessant klingen und ungewöhnlich sein, sondern müssen auch fesseln, berühren, man muss Lust haben, ein Album aufzulegen. Björk gelingt es nicht, eine Spannung aufzubauen, die den Minimalismus des Albums spannend machen würde. Ungewöhnliche Arrangements wissen das Anfangs noch zu verschleiern, aber Björk will viele Stücke allein durch ihre Stimme tragen, eine Intensität wie die Newsoms erzeugt sie dabei nie, was zwar viel verlangt ist, aber zum Gelingen der Songs nötig wäre. Besonders deutlich wird das Ganze bei „Hollow“, einem der ungewöhnlichsten Songs des Albums: Eine Orgel spielt einen unregelmäßigen Rhythmus, der an klassische Musik denken lässt, ehe Björk von einem sanften Chor unterstützt ihren abstrakten Text singt, zum Schluss kommen noch ein paar Electroklänge hinzu. „Interessant“ kann man das nennen, „handwerklich gut gemacht“ sicherlich auch, aber es bewegt nicht. Hingegen könnten „Cosmonogy“ und „Virus“, bei dem die eigens hierfür konstruierte Gameleste zum Einsatz kommt, durchaus berühren – wofür sie allerdings einen Albumfluss bräuchten, bei dem nicht in negativer Weise auffällt, dass die Refrains beider Lieder dann doch zu viel des Kitsches sind.
Es bleibt zu hoffen, dass Björk zukünftig sich nicht ausschließlich zu erneuern und krampfhaft Teil der Avantgarde zu sein versucht, sondern sich ihrer Stärken entsinnt. Denn immer wenn die alte Björk auf diesem Album zu hören ist – die Björk, die Songs mit Melodien und tanzbaren Rythmen trägt – weiß man, dass sie es nicht verlernt hat gute Songs zu schreiben. „Thunderbolt“ oder „Mutual Core“ hätten sich auch gut auf dem Album „Vespertine“ eingefügen können. Vielleicht überrascht einen Björk ja beim nächsten Album wieder – mit einem für sie mal konventionellem, bodenständigem Album, bei dem die Isländerin nicht versucht, das Rad neu zu erfinden sondern sich auf das konzentriert, was sie kann.
Label: Polydor
Referenzen: Matthew Herbert, Glasser, Joanna Newsom, Barbara Panther, Dirty Projectors
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VÖ: 07.10.2011
Bei Björk berührt mich schon musikalisch gesehen schon länger nichts.
So ziemlich alle Alben ab Homogenic sind Kunstprojekte mit netter Hintergrund-Beschallung.
Das Album will noch gehört (und sicher am besten per Kopfhörer), gespannt bin ich aber.
Was es aber gar nicht gibt: Elfen im Herrn der Ringe. Das sind, auch, wenn im Original „Elves“ steht, nicht umsonst in der Überstzung „Elben“, eben weil’s keine „Elfen“ sind.
Björk hingegen war stets, wenn überhaupt eine Elfe, so doch zumindes eine Art, ähem, tjoa… Maschinen-Elfe. Oder ein Baum-Kristall. Wellenzwergin vielleicht auch. Oder Luft-Gnomin. Sowas in der Art.
Und die Elben, die nerven gar nicht, und künsteln auch ihre Abwesenheit nicht. Das ist alles mythologisch bedingstbumst. Jawohl.
Q, Nye hahr-YOO-vah-lee-ay MELL-wah ray!