Nathan (V): Missverständliches

‚Na, los, jetzt nimm schon ab, noch einmal rufe ich Dich nicht an, was treibt denn der …‘
„Satan, hallo?“
Na endlich. Jetzt nur nicht zu viel Freude mitschwingen lassen, schließlich hatte Lisa allen Grund, ein wenig sauer zu sein … da trifft sie sich mit ihm, und er redet die ganze Zeit mit dieser dämlichen Annebelle. Dazu dann noch das aufgesetzte Getrinke, das macht er doch sonst nicht.

„Du bist wirklich ziemlich blöd, weißt Du das?“
„Na, gerade nicht, eher müde. Und wenn irgendjemand meinen Namen zum Anlass für blöde Scherze nimmt, dann will ich das wenigstens sein. War ja eine schöne Runde vorhin, durfte mir wieder was über den weisen Namensvetter anhören, kalt gewordenes Schulwissen präsentiert bekommen, was ganz Neues. In eine nette Gesellschaft hast Du mich da geführt …“
„Na, das bisschen, dass Du da warst, hast Du Dich scheinbar ganz gut unterhalten.“
„Ich mich selbst, das hätte klappen können, klar, muss ja immer gehen. Aber deine Freundin da, Annabelle, die hat mich nicht unterhalten, nein. Obwohl sie jetzt nicht so unsympathisch erschien …“
„Ah, wirklich?“

„Ja, irgendwie schon. Aber das kann man ja über fast jeden Menschen sagen, nachdem man betrunken neben ihm im Park saß. ‚Sympathisch‘ ist das ’nett‘ der Betrunkenen, weißt Du? Also nichts wirklich Schmeichelhaftes.“
„Ich glaube, sie fand das Gespräch recht anregend. Wie geht’s Dir jetzt?“
„Bin noch ein bisschen beschallert … also nutze es aus und mach‘ Dich weiter über mich lustig, sie hat mich halt reden lassen. Vermutlich eine Art Schutzreflex, wenn ich einmal mit dem Sprechen angefangen habe. So lässt sich nämlich vermeiden, dass ich ständig allen ins Wort falle. Du machst das übrigens nicht, bei Dir kann ich nie glänzen.“

Nein, Lisa tat so etwas nicht, sie hatte oft die Nase voll von seinen Musikgeschichten, der ganzen, wie sie fand, Ablenkerei, da gebot sie ihm Einhalt. Oder versuchte es zumindest. Weniger schlimm war es, wenn er von sich selbst sprach, da hörte sie ihm gerne zu. Das war auch der Grund, warum sie ihn vorhin mitgenommen hatte. In der üblichen Runde, zu der Menschen wie sein Freund Stefan gehörten, war das ja nicht möglich. Der Plan war also recht einfach gewesen und hätte auch wirkungsvoll sein können: Was machte Nathan, wenn er sich nicht in seiner natürlichen Umgebung befand? Vielleicht sich an sie halten …

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Er war aber nicht aufgegangen. Daraus lässt sich immerhin die Lehre ziehen, dass Pläne bei solchen Dingen eben zu nichts taugen.

„Naja, Du gibst mir ja nie eine Chance, Dich glänzen zu sehen, das hebst Du Dir für Dämchen wie Annabelle auf …“

Lisa klang beleidigt. Warum das denn? Was hatte sie sich denn erhofft? Hätte er einfach nur da gesessen und nicht gesprochen, das wäre doch komisch gewesen, sich einfach wortlos betrinken und gehen. Und hatte sie ihn nicht eingeladen? Das war seltsam, daraus sollte schlau werden, wer wollte. Und überhaupt, aus Lisa schlau werden … oft war sie teilnahmevoll, hörte sich seine Sorgen an, was eine ziemliche Leistung war. Mit Nathan über seine Probleme sprechen bedeutete, ihnen beim Werden zuzusehen, und das konnte dauern. Er selbst war sich ihrer meist nicht bewusst, was daran lag, dass er nun wirklich niemanden damit plagen wollte, nicht sich, und schon gar nicht andere. In solchen Fällen brachte sie ein freundschaftliches Einfühlungsvermögen auf, dessen zeitweilige Abwesenheit dann um so mehr irritierte. Wenn sie ihn bei schlechten Liedern auf die Tanzfläche ziehen wollte zum Beispiel. Oder so etwas wie heute.

„Gar nichts habe ich mir für sie aufgehoben, dann wäre ich jetzt nämlich übervoll, bei ihr wäre ich nichts losgewerden. Ich saß halt neben ihr, und wenn Du in Gesellschaft lädst, dann kann ich doch nicht saufend vor mich hinstieren und warten, bis Du Zeit findest, mich einmal anzureden, nachdem ihr Euch über alle Eure Bekanntschaften ausgetauscht habt.“

Was für ein Idiot. Als könnte er sich nicht selbst an sie wenden … und doch, da konnte er noch so viel sticheln, wie er wollte, er war ja doch gekommen. Sie rief, er kam.

„Hättest ja nicht kommen brauchen … ist ja auch egal jetzt. Was hast Du heute noch vor?“
„Schlafen oder weiter trinken, eines von beiden muss ich wohl tun … Stefan und so wollen dann noch ins Aalhaus, aber da habe ich keine Lust.“
„Ich wollte heute noch tanzen gehen …“

„Ah, mit Annabelle auf eine BWLer-Party? WiWi-Bunker? Die studiert doch so was, oder?“
„Hotelmanagement, ist aber schon fertig … kannst ja mitkommen, wenn Du magst, und wenn es Dir nichts ausmacht, dass Annabelle nicht dabei ist. Die geht in irgendeine Bar, Cocktails trinken. Müsstest halt mit mir Vorlieb nehmen, ich wollte in den Pudel.“
„Die fehlt nicht, nein, und gefallen würde es ihr dort auch nicht, debile Loungemusik wird’s da wohl kaum geben … dann hab‘ ich ja noch genügend Zeit für drei Kaffee … da komm ich mit.“

„Fein! Wir können ja später noch einmal telefonieren. Bis dann!“
„Tschüss!“
Geht doch, Nathan.

“Allo Darlin’” von Allo Darlin‘ ist 2011 auf Fortuna Pop! erschienen.

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