Was passiert, wenn man Bob Dylan, Bruce Springsteen und Kevin Shields gemeinsam für ein paar Wochen in eine Opiumhöhle sperrt? Nein, lassen wir das. Denn wenngleich auch ihr zweites Album „Slave Ambient“ in seiner eigentümlichen Kombination von Shoegaze, Psychedelica und abgehangener Americana wieder zum munteren Referenzdropping einlädt, ist es letztendlich etwas ganz anderes, was die Musik von The War On Drugs aus der anstehenden herbstlichen Veröffentlichungsflut hervorstechen lässt.

Als eine der ganz wenigen ihrer Generation gelingt es der Band um Adam Granduciel nämlich, einen Sound zu kultivieren, für den das Wort „zeitlos“ ausnahmsweise mal keinen abgeschmackten Baustein von Promosheets und daraus abgeschriebenen Rezensionen darstellt. Ganz einfach weil der Begriff hier nicht im Sinne von „anti-modern“ zu verstehen ist, sondern eine Musik beschreibt, die klingt, als wäre sie nicht zu irgendeinem Zeitpunkt entstanden, sondern immer schon dagewesen. Ähnlich wie bei Ex-Mitglied Kurt Vile, zu dessen „Smoke Ring For My Halo“ Kollege Pascal Anfang des Jahres schon zu Recht bemerkte, dass es eine an Jim-Jarmusch-Filme erinnernde Ästhetik der scheinbar unspektakulären, vagen Zwischenräume und losen Enden vertone, befinden sich die Lieder von The War On Drugs in einem seltsamen Schwebezustand, der sie von Verbindlichkeiten wie Ort und Zeit nahezu vollständig entkoppelt. Vor dem inneren, konditionierten Auge sieht man zwar endlose Highways und die Weite der Prärie passieren, im Grunde genommen könnte der Ort des Geschehens aber auch jeder andere in diesem Universum sein.

Beständig aufs Tempo drückend und weniger in sich gekehrt als zuletzt noch bei Vile zerschmelzen, fließen, mäandaern klassische Songstrukturen aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und gelegentlichen Harmonica-Einlagen hier durch eine warme Ursuppe aus Noiseschleifen. Granduciels unweigerlich an Dylan erinnernder Gesang wirkt dabei stets unentschlossen, ob er sich nun von der Wucht der Wall Of Sound treiben lassen oder gegen sie anstemmen soll. Den sich immer wieder aus dem Feedbacknebel schälenden Liedern gelingt unterdessen das seltene Kunststück, zwar immer irgendwie gleich, aber doch jedes mal aufs Neue großartig zu klingen. Dieses Phänomen des sich wiederholenden, aus derselben Grundmasse immer wieder Neu-Formens verleiht „Slave Ambient“ eine ungeheure Homogenität, die ins Monotone abdriften würde, wären The War On Drugs nicht ganz nebenbei auch noch fantastische Songschreiber. So sind es die ihren altvorderen Idolen alle Ehre machenden Highlights, wie der Opener „Best Night“, „Your Love Is Calling My Name“ oder „Come To The City“, die der unruhig wabernden Lavamasse des Albums letztendlich die akzentuierenden Funken entlocken.

Zwar könnte man bemängeln, dass mit „Baby Missiles“ der beste Song schon von der letztjährigen „Future Weather“-EP bekannt war und dass das Quartett kaum Anstalten macht, seinem Gesamtwerk einmal neue Akzente zu entlocken. Aber wer würde so etwas im Angesicht des schlichtweg beeindruckenden Gefühls der Unendlichkeit in dieser Musik schon wagen?

80

Label: Secretly Canadian

Referenzen: Kurt Vile, Bob Dylan, Bruce Springsteen, The Walkmen, My Bloody Valentine, Deerhunter

Links: Homepage | MySpace | Albumstream

VÖ: 26.08.2011

6 Kommentare zu “The War On Drugs – Slave Ambient”

  1. Evi sagt:

    gutes album, auch ohne vile. freue mich auf koeln.

  2. Jan-Hendrik Neumann sagt:

    very beautiful article. Totally right!

  3. […] aber nicht an die Klasse beider heran. Das macht aber nichts, denn die Stimme hat im Gegensatz zum Album live viel weniger Bedeutung. Die Shoegaze-beeinflusste Instrumentierung ist bei diesem Konzert das […]

  4. […] der vermeintlichen musikalischen Eintönigkeit sowie am Gesangsstil des ehemaligen Gitarristen von The War On Drugs. Tatsächlich ist der gelangweilte Gesangsvortrag, bei dem Vile die Vokale ähnlich wie der junge […]

  5. […] vielleicht am besten abseits solcher Kontroversen in Ruhe entwickeln, legten die starken Werke von The War On Drugs, Laura Marling und The Antlers nahe, doch auch etablierte wie Wilco, Feist oder Beirut wussten […]

  6. […] großer und vor allem erwachsener Schritt gelungen. All seine Erfahrungen aus den Zeiten mit The War On Drugs und den Jahren als Solokünstler ruhen in 69 berauschenden, träumenden Minuten zwischen Heimat und […]

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