Sun ArawAncient Romans
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Referenzen:
Magic Lantern, Emeralds, Dylan Ettinger, James Ferraro, Pocahaunted
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Autor: |
Constantin Ruecker |
Das alte Rom muss ein Moloch gewesen sein, voller Missgunst und Intrigen, voller Lügner und Heuchler. Und dank „Ancient Romans“ gibt es endlich den passenden Soundtrack dazu. Nach dem viel beachteten Kritikerliebling und Vorgänger „On Patrol“ legen Sun Araw bereits ihren fünften Longplayer vor – erstmalig auf dem renommierten Label Drag City.
„Lucretius“, das erste Stück, ist eine unendlich verspulte Initiation in den Kosmos von Cameron Stallones Soloprojekt. Und während die Orgel sich noch ziert und windet, stürzt über ihr bereits die Welt in sich zusammen. Die Erde bebt, alles übersteuert, dröhnt, rauscht und wackelt. Für Kompromisse waren Sun Araw sicherlich noch nie bekannt, durch „Ancient Romans“ wird sich daran so schnell auch nichts ändern. Die ersten drei Stücke kratzen allesamt an der 10-Minuten-Marke, was den Einstieg ins Album nicht sonderlich erleichtert. Soweit also keine falschen Hoffnungen. Aber auch keine falsche Scham. Laut und mit viel Bass wird „Ancient Romans“ fast schon körperlich erfahrbar. Es vibriert und bewegt sich, es versteckt sich fast schüchtern in der hintersten Ecke der Akropolis, lauert dort bis niemand mehr zu sehen ist und schleicht dann weiter hinter den nächsten dunklen Pfeiler. Aber bald entwickelt es seinen eigenen Willen und eine Dynamik die heutzutage seines Gleichen sucht.
In „Crown Shell“ erhebt Stallones erstmals seine verrauscht verzerrte Stimme aus dem Äther. Und schon tanzt man gedankenverloren mit ihm in Zeitlupe durch die Antike, während im Hintergrund Erich von Däniken schon mit dem Bagger anrückt, um Aliens auszugraben. Das hier ist die Speerspitze der psychedelischen Musik im 21. Jahrhundert! Und dieses Album ist wie fast jeder Output Stallones ein schier endloser Strudel. Wird man einmal davon erfasst, kommt man nur schwer wieder los. „Ancient Romans“ fasziniert und schillert gleichzeitig in allen erdenklichen Farben – eine Qualität die bereits „On Patrol“ so einzigartig machte. Für all jene, die diesen Sog nicht spüren, könnte dies alles jedoch bedrückend, gar bedrohlich wirken und lediglich einen der bizarrsten Hypes der letzten Jahre darstellen.
Letztlich bedarf es, um dieses Album wirklich schätzen zu können, auch allerhand Ruhe, vielleicht eines geschlossenen Raumes, einer guten Anlage und verständnisvoller Nachbarn. Oder kauft euch gute Kopfhörer, setzt euch raus an den See und vergesst einfach die Zeit. Aber macht nicht den Fehler hier mal kurz am Rechner mit den billigen Boxen in irgendein Lied reinzuschnuppern. Ihr werdet enttäuscht. Versprochen!
Zu guter Letzt braucht es nämlich auch einen gewissen, vielleicht sogar unerschütterlichen Willen sich dieses 80-minütige Monster zu erschließen. Spätestens am Ende aber wird man dann belohnt, wenn Stallones den alten Römern im 15-Minüter „Impluvium“ noch eine allerletzte Lektion erteilt und ihnen das Tanzen lehrt. Über einer so simplen, wie effektiven Melodie zieht er mantraartig seine Kreise und beschließt eines der spannendsten Alben dieses Jahres mit dem poppigsten Stück seines Projektes seit Menschengedenken.
Label: Drag City
Referenzen: Magic Lantern, Emeralds, Dylan Ettinger, James Ferraro, Pocahaunted, Prince Rama, Hype Williams, Eternal Tapestry
Links: Homepage | Label | Albumstream
VÖ: 26.08.2011