„Die Qual der Wahl“ – eine Redewendung, deren Tragweite man sich erst mit zunehmender Reife vollauf bewusst wird. Erscheinen die Welt und das eigene, darin gelebte Leben zu Beginn noch recht übersichtlich, wachsen beider Komplexität schnell ins Unüberschaubare, je mehr man die Unmenge zur Wahl freistehender Optionen begreift. Kaum jemand hadert damit so sehr wie MusikerInnen, die sich nicht in fest abgesteckten Genrekonventionen bewegen wollen – wo soll man nur anfangen, wo aufhören?

Der ständig sein eigenes Schaffen überdenkende Spencer Krug ist nicht nur jemand, der davon ein Lied singen kann. Er hat es auch schon tatsächlich getan. Das Anfangen fing ihm dabei zuletzt leichter als die Beantwortung der anderen obigen Frage. Sein zur vollwertigen Band angewachsenes Projekt Sunset Rubdown entwickelte auf der Basis seiner Songs eine zunehmende Eigendynamik, formte faszinierende Schnörkel an allen Rändern, erweiterte ihren rhythmischen Unterbau bis mitunter 80% der Band mit Perkussion beschäftigt war. Doch irgendwann muss ihm das alles zuviel geworden sein, auf der vorerst finalen Rubdown-Veröffentlichung spielte Krug ganz alleine zwei Songs am Piano ein.

Zugleich war die „Introducing Moonface“ betitelte Single der Startschuss einer neuen künstlerischen Identität des Kanadiers, die zugleich eine Rückkehr zu den Solo-Anfängen von Sunset Rubdown ist. Moonface soll für jede Veröffentlichung die stilistischen, instrumentellen und personalen Parameter neu durchmischen, mit Krug als einziger Konstante. Damit die Qual der Wahl dabei nicht erneut zu arg wird, beschränkt sich nach der letztjährigen EP auch das erste Moonface-Album auf ein Melodieinstrument und eine billige Drum Machine – der Titel „Organ Music Not Vibraphone Like I’d Hoped“ zeugt jedoch davon, dass das Ergebnis nicht den ursprünglichen Plänen entspricht.

So gibt es statt einer Rückkehr zum „Dreamland“-Vibraphon eine Vintage-Heimorgel zu hören, mit der Krug hypnotische Kreise um sich selbst zieht. Im Zentrum steht zunächst aber seine Stimme, unverkennbar wegen ihres Timbres als auch ihrer Fähigkeit, Krugs Phrasen zu transportieren, die im Kopf bleiben. Egal ob selbstironisch („Do you wanna sing like me?“), mit Real- („Talking Heads make me miss my friends“) und Traumbetrachtungen („I could see you’ve made a garden / from the flowers growing out of my remains“) oder cleveren Meta-Einwürfen („So Peter’s leaving town / Who even does that anymore?“), resolut bis einfühlsam stemmt sich Krug gegen innere Unsicherheit, Kommunikationsschwierigkeiten und die grellen bis funkelnden Orgelwellen um ihn herum.

Denn von ihnen geht die Hauptwirkung dieser fünf Stücke aus. Krug schichtet Melodieläufe, Stakkato-Muster und Flächen des warm blökenden Tasteninstruments übereinander, bildet ausgiebige Repetitionsformen, die immer tiefer in ihren Bann ziehen. Auch rütteln die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, in denen die Motive verschieden große Taktmengen abdecken, am Zeitgefühl. Je nachdem, worauf man sich konzentriert kann ein Stück rasant kurz erscheinen oder in Gletschergeschwindigkeit dahingleiten. Die Entschlüsselung solcherart verwobener Minimalinstrumentierung erfordert mehr Beschäftigung von HörerInnenseite als Krugs Werke in Bandgefügen. Sie belohnt dafür aber z.B. mit faszinierend verzahntem Wechselspiel von Maschinenbeat, Fingerstakkato und Vocals dazwischen im finalen Stück, das sich als einziges zu lange hinzieht.

Denkwürdiger dehnt sich hingegen das zentrale Highlight „Fast Peter“, im Wabern der Töne singt Krug andächtig „She’s the one, the one that he thinks of when he thinks of love“. Allein hier ist er einmal nicht alleine, sondern im Duett mit Rubdown-Kompagnette Camilla Wynne Ingr, deren Stimme so bezaubernd mit der seinigen verschmilzt wie eh und je. Eine gute Wahl.

70

Label: Jagjaguwar

Referenzen: Joe Meek, Peter Gabriel, Glasser, Owen Pallett, Sunset Rubdown

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VÖ: 05.08.2011

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