Der Liedschatten (30): Ein Lob dem Paartanz? Hat das der Bossa Nova gewollt?

Bossa Nova ist eine feine Sache, zumindest dann, wenn man ihn nicht in erster Linie mit den Easy-Listening-Compilations und Remixen in Verbindung bringt, die ihm in den 90er Jahren zu einem Revival verhalfen. Sein Charakter ist wirklich und tatsächlich „smooth“, geschmeidig und fein. Die behutsam instrumentierten Stücke, zu deren bekanntesten „The Girl From Ipanema“ und das von João Gilberto vorgetragene „Chega De Saudade“ gehören dürften, sorgten Anfang der 60er Jahre von Brasilien ausgehend für eine internationale Modewelle. Mit einer neuartigen Verbindung von Samba und Cool Jazz war diese Art von Bossa Nova eine, die nicht unbedingt immer etwas mit dessen ursprünglicher Form zu tun hatte.

Diese nämlich ist geradezu verhuscht und – der Gedanke drängt sich dann auf, wenn man um João Gilbertos, der den Bossa Nova nicht als Komponist, sondern Interpret prägte, in den 1950er und 60er Jahren bestehende Vorliebe für Cannabis weiß – ein wenig, nun ja, verkifft, aber im besten Sinne. Gleichzeitig stellt sie einen technischen Anspruch an ihre InterpretInnen, der nach ein wenig mehr verlangt als schlurfiger „Laid Back“-Bedröhntheit. Äußerst anrührend ist auch die Sanftheit, mit der Texte beim Bossa Nova gesäuselt, ja oftmals geradezu geflüstert werden, seine lächelnd abwesende Innerlichkeit, eine einladende Form der Melancholie ohne Wehleid, voller spielerisch verschämter Eleganz.

Dieses Jahr wurde Gilberto 80 Jahre alt. Es wird behauptet, er lebe seit 1980 zurückgezogen, schlafe tagsüber und spiele nachts ununterbrochen Gitarre, in keinerlei Weise daran interessiert, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, auch nicht dann, wenn ihm die Wohnung gekündigt wird. Das kürzlich erschienene Buch des verstorbenen Journalisten Marc Fischer über seine Versuche, ihm begegnen zu dürfen, enthält sicher noch weitaus seltsamere Gerüchte und wird flugs durch den Autoren erworben werden. Und wenn er’s nicht vergisst, wird er in Zukunft noch einmal darauf zurückkommen.

Manuela „Schuld war nur der Bossa Nova“, Mai – Juni 1963

manueal_bossaBisher war dieser Text ja nur eine einzige Lobhudelei, was recht selten für den „Liedschatten“ ist, der den werten LeserInnen meist eher wie ein Tummelplatz der Häme, ein Hort der anklagenden Unduldsamkeit erschienen sein dürfte. Und damit haben sie Recht. Was ein Nummer-Eins-Hit war, wird besprochen und um welches Lied es sich dabei handelt, entscheidet die Chronologie – egal, was KomponistInnen und InterpretInnen verzapften, zum Bespiel Manuela alias Doris Inge Wegener mit einer Coverversion des Eydie-Gormé-Hits „Blame It On The Bossa Nova“.

http://www.youtube.com/watch?v=EIGQ1w4wETA

Ob er nun der „Tanz der Liebe“ ist, als der er ihm Original hingestellt wurde, ist eine biographische Frage, kann doch jedes Paar „ihr Lied“ haben; keine Rolle spielt, ob das nun Black Metal, Schranz oder eine Bachfuge ist. Ach ja, die Pärchen und ihr Tanz, der Paartanz, der will gelernt sen, sonst gibt’s keine feurige Leidenschaft, kein Feuer der Liebe und schon gar keine, und darauf kommt’s doch nur an, Hochzeit. Ohne Hochzeit aber keine ehelichen Pflichten, oder Freuden, je nachdem, wer sich da warum zusammengefunden hat, und zwar für das restliche Leben zuammengefunden hat, vor Gott und Menschen und Steueramt, oder anders herum. Ganz, wie’s beliebt und am ehesten eine den „schönsten Tag im Leben“ schmückende Klimax ergibt … herrje! Man stelle sich nur mal vor, früh heiraten und dann mit Anfang 20 bereits den schönsten Tag durchlebt haben! Brrrr … danach kann’s ja also nur noch schlimmer kommen. Muss es aber nicht, wie uns das lebensfrohe Ehepaar Fern zu zeigen weiß. Die nämlich scheinen ein von Freude und innerem Glück sanft erhelltes Leben zu führen, man beachte nur einmal das Lächeln der Frau. Und woran liegt’s? Am Paartanz!*

Diese, ähem, leidenschaftliche, innige Schwoferei also ist der „Tanz der Liebe“ und wer ihn beherrscht, kann die Huld der kleinen Jane gewinnen. Soso.

Die in Berlin geborene Manuela trägt das Stück mit Akzent vor, was nicht wirklich zu einer Mutttersprachlerin passen will und jeder biografischen Grundlage entbehrt. Dass auch diese kleine Sprachspielerei für den Erfolg des Stückes verantwortlich gewesen sein dürfte, ist dann kein abwegiger Gedanken, wenn selbst schon eine Zeile wie „Doch am nächsten Tag fragte die Mama: ‚Kind, warum warst du erst heut’ morgen da?“ zu einer Indizierung durch den bayerischen Rundfunk führte. In einem solchen Umfeld dürfte man sich gewiss über das Verhohnepiepeln der deutschen Sprache durch phantastische phonetische Fremdländereien aufgeregt haben, und es werden nicht die jüngeren Menschen gewesen sein.

„Schuld war nur der Bossa Nova“ wurde ein noch größerer Hit als „Wini-Wini“ der Tahiti Tamourés, denen die Sängerin ebenfalls angehörte. Es folgte eine Karriere inklusive Schlagerfilm und Bravo-Starschnitt, eigener Modelinie, später dann folgte der Abstieg hin zur offenbar für viele ehemalige Schlagerstars obligatorischen Tingelei über Dorffeste und durch Baumärkte. Da hat’s der Herr Gilberto doch weitaus besser getroffen.

*Der Autor nahm einst selbst Tanzstunden und fand daran durchaus Gefallen. Der geäußerte Spott entwächst einer Laune und sollte als sanft verstanden werden.

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