YACHTShangri-La
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Referenzen:
Of Montreal, The Blow, The Chap, LCD Soundsystem, Hot Chip, Architecture In Helsinki
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Autor: |
Bastian Heider |
Diesmal meinen sie es ernst. Claire Evans und Jona Bechtolt, die trotz höchst verdächtigen Bandnamens nur wenig mit Spätsiebziger-Yuppie-Softrock zu tun haben, fahren mit „Shangri-La“ die volle konzeptuelle Ladung an obskurer Science Fiction auf und setzen damit genau dort an, wo einen Evans’ vorab veröffentlichter BoingBoing-Mix vor einigen Wochen bereits verdutzt zurückließ: Popmusik als genreübergreifende, bewusstseinserweiternde und überaus tanzbare Utopie.
Ein interstellarer Ansatz, den man eigentlich sympathisch finden muss, gleichzeitig aber auch einer, bei dem vorab nicht so recht klar ist, wie das alles überhaupt zusammen gehen soll. So etwas trauen sich heutzutage höchstens noch YACHTs überdrehte Geistesverwandte von of Montreal.
Was dann unter erwähntem Space-Überbau zusammengezurrt wurde, erstaunt letztendlich umso mehr, denn nach dem bereits ziemlich bunten Vorgänger „See Mystery Lights“ scheinen Evans und Bechtolt nunmehr sämtliche Grenzen hinter sich gelassen zu haben und hüpfen in höchster Wurmlochgeschwindigkeit durch die Popgeschichte. Da beamen sich Kraftwerk auf George Clintons Raumschiff, um gemeinsam mit Nile Rodgers und Donna Summer Trips zu schmeißen. Oder so ähnlich jedenfalls, Krautrock trifft verqueren Funk während alberne Verweise wie „We don’t need no daughter / Let the motherfucker burn“ orientierungslos durch die Rollschuhdisco schießen. „Space“ ist hier sogar irgendwie mehr als nur „The Place“, sondern die überaus formbare Gummizelle, in der sich YACHT über alle Beschränkungen hinweg nach aller Herzenlust austoben. Ein wenig steht das Duo damit in der Tradition seines Labels DFA und erweist James Murphy und Co. in Songs wie dem krautigem Dancefloorpunker „Paradise Engineering“ auch alle Ehre. Allerdings erweitern Evans und Bechtolt diesen Kosmos um einen guten Schuss Durchgeknalltheit, was ihren gänzlich unauthentischen Popentwurf umso unberechenbarer wirken lässt.
Kurz gesagt, „Shangri-La“ hat so ziemlich alles, was ein nicht nur tolles, sondern wirklich überragendes Popalbum ausmacht. Fast alles, denn auch wenn hier auf den ersten Blick eigentlich jedes Detail zu stimmen scheint, fehlt dem Gesamtwerk letztendlich doch das letzte, kaum zu benennende Quäntchen, um als zukünftiger „Weird Pop“-Klassiker durchzugehen. Zwar macht hier kaum ein Song großartig Gefangene und alles geht sofort gut ins Ohr, trotzdem scheinen YACHT an einigen Stellen, vor allem im Mittelteil des Albums, nicht über ein „gut gemeint“ hinauszukommen. Zu gimmickhaft wirken manche der eingestreuten Laserkanonensounds und Space-Filter, zu schablonig und referentiell die hastig übereinandergeklebten Grooves und Melodien. „Shangri-La“ ist zwar irgendwie wahnsinnig und wahnsinnig kurzweilig, schafft es jedoch nicht, diesen über alle Maße euphorisierenden Eindruck dauerhaft zu zementieren.
Das alles soll den Spaß, den man mit dem Album haben kann, jedoch auf keinen Fall schmälern, denn das Endergebnis bleibt ein Feuerwerk sympathischen Spinnertums und überbordender Kreativität. YACHT durchloten nahezu alle Sphären zwischen lockerem Lo-Fi-Elektropop und irrem Spacetrip und schießen dabei ganz automatisch immer mal wieder übers Ziel hinaus. Allein für den Mut, diese wahnwitzige, moderne Space-Oper mit einem gänzlich unprätentiösen 60s-Popsong inklusive lieblicher Streicher und Backgroundchören abzuschließen, muss man die beiden eigentlich lieben. „If I can’t go to Heaven / Let me go to LA.” Letztendlich nämlich verbirgt sich hier noch hinter der größenwahnsinnigsten Weltraum-Utopie ein zutiefst irdischer Traum.
Label: DFA / Cooperative
Referenzen: of Montreal, The Blow, The Chap, LCD Soundsystem, Hot Chip, Architecture In Helsinki
Links: Albumstream | Homepage | MySpace
VÖ: 08.07.2011