
Schon eine Weile wird den Majorlabels immer wieder gern der mangelnde Aufbau ihrer KünstlerInnen angelastet, worunter nicht nur die musikalische Qualität, sondern auch die Möglichkeit einer emotionalen Bindung der HörerInnen an eineN InterpretIn leiden würde.
Das mag stimmen, aber weshalb sollte man so etwas kritisieren? Plattenfirmen haben keinen Bildungsauftrag, und wenn die meisten nicht nur Wirtschaftlichkeit erstreben, sondern sich um Gewinnmaximierung bemühen, ist das im Kapitalismus nicht weiter verwunderlich. Damit soll niemand entschuldigt werden. Aber so lange es genügend Alternativen zu dieser Art von Antrieb gibt, und die gibt es ja zuhauf, braucht es keinen Zorn, der das Fehlen von „wirklichen Talenten“ und „Inhalten“ und all solchem Schmonz in den Charts ankreidet. Wenn Produkte der Musikindustrie, also KünstlerInnen und Bands, in der Regel nicht mehr über Jahre hinweg gepusht und in den Markt gedrückt werden, so liegt das gewiss nicht an einer fehlenden ideellen Bereitschaft, es werden andere Geschäftsmodelle bevorzugt, Fernseh- und Liveshows und deren Verwertung zum Beispiel. Unter veränderten Umständen werden wir wieder einer veränderten Vorgehensweise begegnen.
Kommen wir noch einmal auf den Vorwurf des nicht erfolgenden Künstleraufbaus, der „Schnellebigkeit“ zurück, so wird nicht nur an unserem heutigen Hit, „Wini-Wini“ der Tahiti Tamourés deutlich, dass es sich dabei um keine neuartige Praxis handelt. „One-hit wonder“ gab’s immer, wird’s immer geben, und jeder Mensch, der seine Musik nicht anhand der durch die Industrie ausgegebenen Kaufempfehlungen, der Charts, konsumiert, wird daran etwas auszusetzen finden. Wer deswegen aber glaubt, er oder sie könne im Kapitalismus ohne Weiteres inhaltliche Qualität fordern, ist einfach bloß nicht in der Lage, sie zu erstehen, soll heißen: Auch die Verteilung immaterieller Güter erfolgt nicht nach egalitären Prinzipien, wer keine Bildung erhielt, aber trotzdem Dinge kaufen kann, wird eben entsprechende Produkte vorgelegt bekommen. Und das wird dann eben nicht Björk, das werden die „Atzen“ sein, dazu kann man auch besser „die ganze Nacht feiern“, oder wie man den von solchem und ähnlichem Material begleiteten Alkoholkonsum nennt.
Tahiti Tamourés „Wini-Wini“, April – Mai 1963
Bei den Tahiti Tamourés handelte es sich um eine Schlagerformation aus der BRD, deren Diskographie lediglich vier Singles umfasst, sie alle folgen dem Konzept der idealisierten Exotik. Der Name des Projektes setzt sich dabei aus zwei leicht mit dem Begriff „Südsee“ assoziierbaren Wörtern zusammen. „Tahiti“ ist das Signal für alle, „Tamourés“ ist ein wenig spezieller, es bezieht sich auf einen Modetanz. Verbreitung erlangte er im Zusammenhang mit dem „Polynesian Pop“, einem Setzling des Kitsches, der nach dem Anschluss Hawaiis an die USA 1959 erwuchs und Blüten wie Hawaiihemden und den Drink „Mai Tai“ trieb.
Der Song „Wini-Wini“ stammt im Original als „Vini Vini“ von Terorotua and His Tahitians und erschien erstmals auf deren LP „The Lure Of Tahiti“ von 1958. Zwar lassen sich in den Liner Notes allerlei idyllische, an „Edle Wilde“ gemahnende Beschreibungen des „Erbes“ finden, sonderlich aufschlussreich sind sie aber nicht. Auch eine weitere Recherche brachte keine Erkenntnisse, die Ursprünge des Stücks bleiben im Dunkeln. Die Coverversion aber ist, bis auf den Text, sehr nah am Original.
Das obige Stück entspricht der Version der Tahiti Tamourés, auch wenn da „Waikiki“ steht. Da die ursprüngliche Version geoblockiert ist, muss man damit Vorlieb nehmen. Eine weitere Variante des Liedes findet in der „Radio ffn“ Produktion „Die Arschkrampen“ Verwendung, dort läuft sie permanent im Hintergrund, womit sich das unmenschliche Gebaren beider Protagonisten erklären ließe. In der Schankwirtschaft „Bei Gertrude“ nehmen diese Getränke zu sich, deren bloße Erwähnung einen Zustand hervorruft, dessen Beschreibung als „Übelkeit“ unzulänglich ist. Es handelt sich um „Ballerbrühe“ (Bier mit Tsatsiki, Dieter Wischmeyer als „Kurt Krampmeier“) „und Alster-E“ (Alster mit Erdbeerjoghurt, Oliver Kalkofe als „Gürgen Ferkulat“). „Die Arschkrampen“ zeichnen sich aber nicht nur dadurch aus, ihr lästerlicher Humor zwischen fäkalen Wortverwirrungen und pubertärer Blindheit jeglichem Takt gegenüber (siehe der sodomistische Running Gag über Gürgen, den „Ferkelwämser“) verbindet sich recht reizvoll mit paranoid-ohnmächtigen Drohgebärden und gut gebauten Sätzen, kurzum, die Serie ist gar nicht mal so verkehrt. Um uneingeschränkt empfohlen zu werden sind Tonfall und Satzbau teilweise zu gezwungen, auch die ewige Kotzerei geht früher oder später auf die Nerven, da hantiert ein Olaf Schubert weitaus eleganter mit der Sprache. Man bedenke jedoch, dass es sich bei den „Arschkrampen“ um eine Hörspielreihe aus der Radiosendung „Frühstyxradio“ handelt, die Ende der 80er Jahre jeden Sonntagmorgen drei Stunden lang auf einem privaten Rundfunksender lief und wundere sich darüber, wie der Kapitalismus, die alte Sau, so etwas möglich sein ließ.
[…] war nur der Bossa Nova“ wurde ein noch größerer Hit als „Wini-Wini“ der Tahiti Tamourés, denen die Sängerin ebenfalls angehörte. Es folgte eine Karriere […]