„Schnappsidee!“, ein Gedanke, der dem Autor dieser nun mehr oder weniger gelungen paar Zeilen in den letzten Tagen wohl häufiger durch den Kopf schoss. Hatte er sich doch in einem kurzen Moment des Überschwangs dazu breitschlagen lassen, nein war vielmehr selbst auf die Idee gekommen, an dieser Stelle ausführlich über etwas zu schreiben, von dem er im Grunde gar keine Ahnung hat. Ein Querschnitt aktueller elektronischer Tanzmusik und darüber hinaus von jemandem, dessen Kompetenz sich größtenteils darauf beschränkt, dass er ab und zu auch mal ganz gerne Tanzen geht. Nun ja, genug der Koketterie und so schmerzlos und unverkrampft wie möglich, sechsmal House, Techno und „beyond“ im Schnelldurchlauf. Über den Mehrwert kann und darf der werte Leser ja gottseidank immer noch selbst entscheiden.

Bruno Pronsato – Lovers Do

Der größte Hammer gleich zu Beginn, obwohl der Begriff Hammer dieser unterschwelligen und feinen Platte wohl kaum gerecht werden kann. Der Berliner Exil-Kanadier Steven Ford konnte, als er zu Beginn des immer noch frischen Jahrtausends unter dem Alias Bruno Pronsato bei minimalem Techno und House landete, schon auf eine vielleicht nicht herausragend erfolgreiche aber dennoch äußerst beachtliche Indierock-Karriere zurückblicken. Und das merkt man seinem Sound gewissermaßen auch an, der durchaus artverwandt aber dann doch wieder ganz anders als bei seinem deutschen, auf einen ähnlichen Werdegang zurückblickenden Kollegen Philip Solmann aka efdemin wesentlich referentieller, experimentierfreudiger und subtiler daherkommt, als der vieler eingeborener Produzenten des Genres.

Auf seinem neuestem Album „Lovers Do“ wimmelt es nur so vor jazzigen Pianosprenklern, mysteriösen Vocalfetzen und düsteren Dub-Schleiern, während die normalerweise dominanten „Four To The Flour“-Elemente von House wie die obligatorische Bassdrum und Snare bewusst in den Hintergrund gedrängt werden. Der größten Trümpfe Pronsatos sind dabei die alles überlagernde Deepness seiner Klangkonstruktionen und eine subtile Vertracktheit, die „Lovers Do“ über weite Strecken geradezu beklemmend und geisterhaft schimmern lässt. Das funktioniert zu Hause vielleicht sogar noch besser als im Club und ist nach einer ganzen Stange an tollen Alben ein weiterer kleiner Meilenstein dieses jetzt schon ziemlich herausragenden Jahrgangs für repetitive elektronische Tanzmusik.

Label: The Song Says

Referenzen: efdemin, Theo Parrish, Benoit & Sergio, DJ Sprinkles

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VÖ: 10.06.2011

DJ Phono – Welcome To Wherever You’re Not

Einen ziemlich krassen Gegenpol zum Schaffen seiner illustren Hauptband baut uns DJ Phono, der normalerweise als Tour-DJ bei Deutschlands prolligsten Aktionskünstlern oder auch der derbster Partyband Deichkind beschäftigt ist. Zwar verwundert es mittlerweile nur noch wenig, wenn sich DJs aus dem ehemaligen Hamburger Hip Hop-Umfeld im Laufe der Jahre elektronischeren Klängen zugewendet haben, der Minimalismus, die Konsequenz und Geduld die Phono auf seinem nun zweiten Album „Welcome To Wherever You’re Not“ vorlegt sind dann aber dennoch mehr als beachtlich.

Über die ersten drei bis vier Tracks der Platte vermag man kaum einen einzigen drängelnden Beat zu vernehmen. Alles gleitet in geschmeidigem und, nun ja, fast möchte man sagen, loungigem Ambient vor sich hin, bevor dann im Brückentrack „Gone“ die ersten zaghaften aber schon unheilvoll wummernden Housebeats die Party langsam in Schwung kommen lassen. Ganz behutsam nimmt das Album Schwung auf, bis es dann in Stücken wie „Soll Ich Ein Loch Graben“ die volle Dröhnung an bratzigen Rave-Filtern auf die Zwölf gibt. DJ Phono ist ein hinterlistiger Blender, der einem mit diesem einzigen Album gewordenen Spannungsbogen auf die falsche Fährte lockt, einlullt und irgendwann völlig verdutzt inmitten tausender in die Höhe gerissener Hände wieder aufwachen lässt. Allein dafür gebührt ihm allerhöchster Respekt.

Label: Diynamic Music

Referenzen: Monkey Maffia, Deichkind, David August, Egoexpress

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VÖ: 20.06.2011

Paul Kalkbrenner – Icke Wieder

Klar, an ihm kommen auch wir nicht vorbei, Paul Kalkbrenner, der es befeuert durch seinen filmischen Überraschungserfolg „Berlin Calling“ inklusive dazugehörigem Soundtrack in beachtlich kurzer Zeit zu Deutschlands größtem Techno-Superstar seit mindestens Sven Väth brachte. Wenn man in solche Erfolgsregionen vorstößt, kann man es naturgemäß nicht mehr allen Recht machen. Spätestens aber nach seinem Auftritt vor deutschen Truppen in Afghanistan hinterließ Kalkbrenner in der „Poplinken“ (falls es die denn überhaupt noch gibt) nichts als verbrannte Erde. Ganz abgesehen davon, ob es sich bei jenem Gig nun um ein eher zweifelhaftes Statement oder aber ein bloßen Gefallen für die Soldaten handelte, steht der Mann rein musikalisch auch 2011 immer noch auf der guten Seite.

„Icke wieder“ ist ein ziemlich buntes aber dennoch geradliniges Techno-Kaleidoskop, das stellenweise immer noch weit über solides Handwerk hinausweist. Kalkbrenner behält sein Gespür für magische Momente, vermeidet aber allzu offensichtliche Hits, wie das durch die Barry White-Einlage seines Bruders Fritz  gepimpte „Sky And Sand“ von „Berlin Calling“. Auffällig sind weiterhin die vielen kleinen Streicher- und Bläsersamples, die sich in „Kleines Bubu“ noch als dezent verspieltes Element im Hintergrund halten, im Schlusstrack „Der Breuzen“ aber im Zusammenspiel mit einer etwas prollig überdimensionierten Bassdrum weit über das Ziel hinausschießen. Das ist alles nicht neu und auch nicht sonderlich subtil oder sonstwie genial, von jemandem wie Kalkbrenner, der derzeit wie kaum ein zweiter betont volkstümlich den Hedonismus der Massen verkörpert, kann man so etwas allerdings auch schlecht verlangen. Es lässt sich jedenfalls wesentlich schlechtere Musik, vorstellen, um in diesem Sommer sowohl die Nature One als auch die hintersten Zeltdiscos des Landes zu beschallen.

Label: Paul Kalkbrenner Musik

Referenzen: Fritz Kalkbrenner, Extrawelt, Marek Hemmann, Oliver Koletzki

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VÖ: 03.06.2011

Ein Kommentar zu “Musik aus Strom: Elektronische Tanzmusik und mehr im Schnellcheck (Teil 1)”

  1. […] dass er eigentlich gar keine Ahnung von elektronischer Clubmusik hat, hat der Autor schon im ersten Teil unseres Specials genug kokettiert. Fest steht jedoch, Sommerzeit ist nicht nur (Rock-)Festivalzeit, […]

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