Wer schon immer mal wissen wollte, woher Grizzly Bear, die Fleet Foxes oder Band Of Horses das mit dem ganzen Hall und so her haben, sollte mal in eines der früheren Alben von My Morning Jacket reinhören. OK, vermutlich genügt es auch schon, sich einmal Neil Young, The Band oder diverse andere Folkrockgrößen der frühen 70er zu Gemüte zu führen. Fakt ist aber, dass die Band um Sänger Jim James den entschlackten Retrosound schon zelebrierte, als an vollbärtige Holzfäller in den New Yorker Szenevierteln noch nicht einmal zu denken war.

Warum um das neueste Album „Circuital“ trotzdem nicht mal ansatzweise so ein Rummel gemacht wird wie zum Beispiel um die neue Fleet Foxes, ist nur schwer nachzuvollziehen, mag aber darin begründet sein, dass My Morning Jacket ihre Schrulligkeit durchaus ernsthafter pflegen als viele ihrer zahlreichen Kollegen. So gehen ihnen in aller Regelmäßigkeit auch mal die Gäule in Form von ausufernden Jamrock-Sessions durch, was in der Vergangenheit vielleicht nicht immer zur Kohärenz ihrer Platten beitrug. Und als der ganze Hype um Neofolk dann so richtig losging, waren My Morning Jacket eh längst woanders und versuchten mehr oder minder gelungen, ihren Soundentwurf mit schwülstigem Soul und Prince zu versöhnen.

Lange Einleitung, kurzer Sinn: Das nun nach diversen Major-Abenteuern wieder über ein Independent-Label erscheinende „Circuital“ ist eine Rückbesinnung auf alte Stärken. Der aus einem Thai-Pop-Klassiker und jeder Menge Soul-Bläsern zusammengezimmerte Vorabtrack „Holding On To Black Metal“, der so gar nichts mit dem darin thematisierten derzeit ziemlich hippen skandinavischen Berserkergenre am Hut hat, führt zunächst noch auf die falsche Fährte, denn „Circuital“ besteht zu größten Teilen aus riesigen, nebeldurchfluteten und spärlich ausgeleuchteten Hohlräumen, sakraler als der Kölner Dom. Gut abgehangener Folkrock regiert hier, aufheulende Gitarren sorgen für die nötige Auflockerung und immer mal wieder schaut der in diesem Kontext unvermeidliche Neil Young auf ein eisgekühltes Bier vorbei. Dabei wandern mächtige Hallwände von einer Seite der Kathedrale zur anderen, treffen sich und tanzen zu leicht überzuckerten Piano- oder Streichermotiven Walzer. Auch der Soul, der dieser Band, sei es in den Arrangements, sei es in der sanftmütig heulenden Stimmer Jim James‘ ja schon immer innewohnte, spielt auf „Circuital“ wieder seine Rolle. Nur begeht er diesmal nicht wie auf dem wenig geliebten Vorgänger „Evil Urges“ den Fehler, die beeindruckende Statik des Albums durch zuviel aufgezwungenen Hüftschwung zu zerstören. Stattdessen vergräbt er sich hier lieber unter anmutig schleichenden Balladen wie „Wonderful (The Way I Feel)“ und verleiht diesen ein unscheinbares, aber warmes und goldenes Leuchten.

„Circuital“ wirkt zwar längst nicht mehr so eklektisch und wagemutig wie die My Morning Jacket von einst (vor allem auf ihrem unübertrefflichen Meisterstück „Z“), kommt an manchen Stellen sogar fast konservativ daher, aber auch so überragt die Musik diese schwül-sommerlichen Tage wie ein gewaltiger, schattenspendender Monolith.

74

Label: Cooperative

Referenzen: Fleet Foxes, Band Of Horses, Grizzly Bear, Band Of Horses, Midlake, Neil Young

Links: Albumstream | Homepage | MySpace

VÖ: 03.06.2011

2 Kommentare zu “My Morning Jacket – Circuital”

  1. Christoph sagt:

    Das Cover ist aber mal sagenhaft scheußlich…

  2. Bastian sagt:

    Joa, wie immer eigentlich.

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