Ja, Panik in Hamburg: 50-50

„Jetzt wo die Messe vorbei ist, können wir ja wieder miteinander reden.“, waren die Worte des Ja, Panik-Sängers Andreas Spechtl, als seine Band wieder auf die Bühne trat. Endlich, dachten wohl die meisten Zuschauer im Uebel & Gefährlich, denn nur in wenigen Momenten wirkte das Konzert der Österreicher nicht verspannt und „gefesselt“, als sie ihr Album DMD KIU LIDT in Gänze durchspielten.
Der Plan, ihr Album, welches auf einem Tonträger am besten an einem Stück als Gesamtkunstwerk genießbar ist, auch live so wirken zu lassen, mag gut gewesen sein, doch funktionierte er an diesem Abend nicht. Die künstliche Zurückhaltung („Wumms-Verbot“) der neuen Songs konnten Ja, Panik live nicht vermitteln, vielmehr machten die meisten Stücke den Eindruck, als würde irgendetwas die Band bremsen – wahrscheinlich der eigene Anspruch. Wenn man am liebsten rocken möchte, aber zum scheinbaren Wohl der Kunst ruhigere Musik spielt, mag das im Studio durch eine gute Produktion kaschiert werden können, aber live gibt es halt keine ProduzentInnen.
Stellenweise gelang es Ja, Panik allerdings zum Glück nicht, ihr Potenzial zu verspielen. Songs, die auf der Platte überragend klangen, waren auch an diesem Abend toll zu erleben. Zu nennen wäre da „Run From The Ones That Say I Love You“, oder „Nevermind“, bei dem jedes Bandmitglied die ihm gewidmete Strophe sang. Überzeugen konnten sie auch, wenn der Rhythmus dann doch mal etwas schneller wurde, wie bei „Mr. Jones & Norma Desmond“ und vor allem „Suicide“.
Das Bühnenkonzept war dabei gut durchdacht: Hinter den Musikern manchmal ein paar visuelle Reize, doch die meiste Zeit war es sehr dunkel auf der Bühne. Statt einer gewöhnlichen Lichtshow wurde gezielt beleuchtet, mal nur der Sänger, mal nur die Gitarren. Dazu gab es, um den Pathos noch weiter zu steigern, ab und an eine Nebelwolke.
Die meisten anderen Lieder wirkten zwar nicht langweilig oder schlecht, es fehlte ihnen nur an der Intensität, die Songs bei Konzerten für gewöhnlich dazugewinnen. Ein Song entschädigte am Ende aber alle, die vom Konzert enttäuscht gewesen sein sollten. Das Titelstück „DMD KIU LIDT“ ist ein Erlebnis, welches sich schwer beschreiben lässt. Neun Minuten lang singt Andreas Spechtl seine Geschichte, an der Rückwand der Bühne wird ein Film projiziert, Spechtl tritt darin mit jedem „DMD KIU LIDT“ ganz nah an die Kamera, singt immer lauter, die Musik steigert die Spannung, schließlich schreit Spechtl nur noch, kaum noch Luft bekommend, unglaublich intensiv wehrt er sich gegen alles, was er hasst, bis er endlich findet, es wäre an der Zeit um aufzuhören. Das Publikum wagt es kaum zu klatschen, als das Lied vorbei ist, die restliche Band ist noch wie gebannt und bewegungslos, bis sie sich endlich regt und unter tosendem Beifall die Bühne verlässt.
Wie sollte ein Konzert nach so einem Song fortgesetzt werden? Ja, Panik entschieden sich fürs Weitermachen: „Uns ist klar, dass es nach solch einem Ende eigentlich nicht weitergehen kann, aber andererseits wäre das auch – uncool.“ Und so spielten sie noch eine kleine Auswahl ihrer älteren Songs, bei denen das – für Hamburg typisch – zurückhaltende Publikum endlich etwas in Bewegung kam. Nach dem Hit „Marathon“ ging ein letzten Endes nur zur Hälfte gelungenes Konzert zu Ende, welches sich aber allein wegen eines Song mehr als gelohnt hat. Live hat die Band ihren Zenit noch nicht erreicht.
Meiner Meinung nach hätte sie sich die rumpeligen Zugaben ruhig sparen können, die Aufführung des Albums aber gelang durchaus. Mangelnde Intensität könnte man dem Album generell vorwerfen, da’s eben nicht „authentisch“ ist, sondern tatsächlich angespannt und beklemmend. da gibt’s ja niemanden, der sich irgendeine seele aus irgendeinem leib singen weil, weil irgendein heil davon abhinge, es ist eben alles hin, hin, hin. da braucht man nicht zu rocken, und ob sich irgendwer bewegt, hat nix mit der qualität eines konzertes zu tun. wir sind in diesem fall wohl zwei pole, ich wollte das werk, du ein rockkonzert. kann man ja auch wollen, und da war’s sicher nicht.
warum gehst du denn nicht zu den beatsteaks, wenn du ein rock-konzert sehen willst? was ja, panik da derzeit auf die bühne bringen ist umwerfend. und solch ein geseier wie von dir hat das nicht verdient.
Was sie bei der Tour von „The Angst & the Money“ auf der Bühne gezeigt waren war umwerfend. Ihre alten Songs packen mich live viel mehr, die neuen lassen mich (mit den erwähnten Ausnahmen) emotional kalt, hab ich auch schon beim Popfest in Wien in diesem Jahr gemerkt. Was aber nichts daran ändert, dass „DMD KIU LIDT“ ihr bisher bestes Album ist ;)
Mein Eindruck ist ebenfalls komplett gegenteilig. Visuell toll umgesetzt und die Chance konsequent genutzt, dem „Konzeptalbum“ „DMD KIU LIDT“ als ganzem gerecht zu werden. Zumindest war das in Köln so. Die älteren Songs am Ende haben da leider tatsächlich nicht mehr reingepasst.
Die spärliche Ausleuchtung der Bühne hat mich im übrigen irgendwie an Velvet Underground denken lassen, auch wenn ich die natürlich nie live zu sehen bekam.