The Felice Brothers – Celebration, Florida.

Die Felice Brothers wurzelten seit jeher im tiefsten Amerika: Dort, wo radikaler Patriotismus die Negation differenzierten Gedankenguts voran treibt, der Whiskey perlt und der Kolben die Gürteltasche säumt. Alle Insignien also, um die Band aufrichtig zu hassen. Nur war da immer auch eine andere Seite: Geschichten, die die Desillusioniertheit des kleinen Mannes abbildeten („Ballad Of Lou The Welterweight“) oder simple Begehren nach konstitutiven Verhältnissen herausstellten („Wonderful Life“). Dazu eine Musik, die sich an Countryfragmenten und Honky-Tonk-Rock belieh und den Geist Dylans in Stimmkerben und Soundspitzen heraufbeschwor.

Auf dem neuen Album „Celebration, Florida“ wird das offensichtliche Begehren nach der Transformation etwas anders deutlich. Dieses Album könnte Ausverkauf der ursprünglichen Bandidentität werden: Vocoder, Beats und kakophonisches Nachtreten fungieren als hochmodern gedachter Soundteppich und verwässern die ehemals puristische Soundästhetik. Nur vereinzelte, konzentrierte Geniesplitter wie im kargen „Oliver Stone“ – ein Song über den bekannten „Wall Street“-Regisseur – lassen den Genius der Zimmermannssöhne erkennen. Dazu liegt ein düsterer Schleier über der gesamten Platte, die nach hinten raus nur noch vor sich hin darbt, bevor sie schließlich enigmatisch austaumelt. Was bleibt ist die Gewissheit, dass The Felice Brothers getrost zu den momentan besten Live-Bands zählen dürften, da stört auch ein schwacher Ausreißer in der ansonsten einwandfreien Diskographie nicht weiter. (Kai Wichelmann)

Referenzen: Motown, My Morning Jacket, The Band, Bob Dylan

Label: Loose Music | VÖ: 27.05.2011 | Links: Albumstream / Homepage / Facebook

Barbara Panther – Barbara Panther

Warum wird eigentlich Musik von Solokünstlerinnenen nahezu ausschließlich mit den Werken einer Handvoll anderer Frauen verglichen? Wird jeder Song unter Östrogeneinfluss auf magische Weise in unmittelbare Nähe von

a) Björk
b) Kate Bush
c) PJ Harvey
d) Fever Ray (früher Tori Amos oder bei Rocksängerinnen Karen O)

gerückt? Selbst offizielle Promotexte zu Barbara Panthers quirlig-idiosynkratischem Elektropop referenzieren – nach u.a. zwei der gerade angeführten – als einzigen Mann den an der Produktion beteiligten Matthew Herbert (warum muss eigentlich bei Solokünstlerinnen immer ein männlicher Produzent prominent erwähnt werden?). Dabei schlurftänzelt doch „Moonlightpeople“ mit seinen eleganten Gitarren- und Vocal-Schnippseln wie weniger clubbige Hot Chip, spannen „Empire“ oder „Voodoo“ flittrig-blubbernde Klanglandschaften à la Four Tet oder Caribou auf.

Der Akzent der in Brüssel aufgewachsenen Ruanderin verleiht ihren englischen Texten eine ungewohnte Betonung, Dehnung und Bindung, die ihre Worte stellenweise höchst originell über eingängige Melodiespuren verteilen, zusätzliche Spannungsfelder in den ohnehin rhythmisch belebten Stücken aufbauen. Auch wenn diese fein ausdifferenzierten Dynamiken „Barbara Panther“ nicht davon abhalten, sich gelegentlich hinzuziehen, die mit Holzperkussion bzw. Steeldrum angetropten Schlussstücke „Dizzy“ und „Ride To The Source“ (exzellent ausformuliertes Detail: Panthers „Outside“-Ruf echot abgeschwächt, als käme er von außerhalb des Songgebildes) tragen es erhobenen Hauptes über die Zielgerade. (Uli Eulenbruch)

Referenzen: Regina, Caribou, Matthew Herbert, Glasser, Four Tet

Label: City Slang | VÖ: 27.05.2011 | Links: Albumstream / Homepage / Facebook

Chad VanGaalen – Diaper Island

Guter Typ und immer noch viel zu oft unterschätzt, dieser Chad VanGaalen. Vor knapp drei Jahren tauchte er den Typus des traurigen, manchmal gar düsteren Songwriters in eine seltsam zusammengezimmert wirkende Schlafzimmerproduktion und verbeulte das ganze noch zusätzlich mit dilettantischen Elektronik-Experimenten. Das so entstandene Wesen von bizarrer Schönheit taufte er auf den Namen „The Soft Airplane“ und hievte es als vielleicht größte Überraschung 2008 bis in die obersten Regionen der AUFTOUREN-Jahrescharts. Nun haben wir 2011 und VanGaalen ist mittlerweile vom Schlafzimmer in ein echtes Studio umgezogen. Den Platz der seltsamen elektronischen Versuchsanordnungen nimmt hier ein zwar gänzlich selbst eingespieltes, aber dennoch deutlich voluminöseres und mit viel Hall versehenes Bandgerüst ein, welches das neue Album „Diaper Island“ in manchen Momenten geradezu „rockig“ erscheinen lässt.

An dunklen Ecken, Fallseilen und Spinnweben mangelt es trotzdem nicht. Geändert haben sich lediglich die Bestimmtheit und das Selbstbewusstsein, mit denen sich VanGaalen hier, nun mit Taschenlampe anstelle schwach flackernder Kerze ausgestattet, auf Erkundungstour durch feuchte Keller und staubige Dachböden begibt. Das erinnert manchmal an etwas psychedelischen 80er und 90er Indierock, öfter an The Velvet Underground und ziemlich eindeutig an VanGaalens ehemalige Schützlinge Women, nur dass der eigenbrötlerische Mittdreißiger immer noch die besseren, stärker im Pop verhafteten Melodien schreibt. „Diaper Island“ fehlt zwar ein wenig die emotionale Tiefe und letztendlich auch das Überraschungsmoment des Vorgängers, zu einem der interessantesten Indierock-Alben des ersten Halbjahres reicht es dem verspulten und undurchschaubaren Kanadier aber allemal. (Bastian Heider)

Referenzen: Women, The Velvet Underground, Wolf Parade, Grizzly Bear, DM Stith

Label: Sub Pop | VÖ: 20.05.2011 | Links: Albumstream / Flemish Eye / Bandcamp

Ein Kommentar zu “Gehacktes! Aktuelle Alben im Schnellcheck”

  1. […] dazugehörige Mariachi- und Fiddle-Swing stammt übrigens von den ebenfalls nicht ganz unillustren Felice Brothers. “I’m nobody’s baby, I’m everbody’s girl, I’m the queen of […]

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