Ein Revival – das Wiederaufkommen und verbreitete Wiederaufgreifen von Musikstilen also, die bis dato nur noch von einem unsichtbaren Nischenpublikum am Leben erhalten wurden – kann in seiner plötzlichen Verbreitung schon mal wie die zynische Saison-Trendsetterei der durchkalkulierten Modeindustrie wirken. Diesen Sommer ist diese Farbkombination ebenso angesagt wie jener frisch aufbereitete Sound, nur um in einem Jahr schon wieder als out unter den Tisch gekehrt zu werden – die Profitmargen können schließlich nur in dem konsumeristischen Gedankenmodell aufrecht erhalten werden, dass nichts ewig Wert hat und stets etwas anderes erstrebenswert ist als zuvor.

In der Musikwelt geraten dabei nur allzu oft jene, die Pionierarbeit leisten und die ursprünglichen Akzente setzen, in Vergessenheit wenn sich erstmal größere Labels mit mehr PR- und Finanzkraft einmischen. Egal als wie gut sich z.B. Cults nun entpuppen mögen, ohne das Indiepop-Revival der vergangenen Jahre als Grundindiz für ein breiteres Interesse an solchen Klängen wäre das Duo, selbst mt seinen guten Industrieverbindungen, wohl kaum so rasant von einem Major Label unter Vertrag genommen worden.

Umso schöner ist es mitanzusehen, dass das altehrwürdige Indiepop-Label Slumberland Records nicht nur als historische Referenz herhalten muss, sondern mit Bands wie The Pains Of Being Pure At Heart und Crystal Stilts einen verdienten zweiten Frühling erlebt. Mit Slumberland-Bands wie Black Tambourine und Boyracer entdeckte auch Jeremy Underwood aus Atlanta einst seine Liebe zu delikaten Popsongs in verhallt-verschrammeltem Gitarrenrauschen, das temporeiche Debütalbum seiner Gruppe Gold-Bears macht dies in erstaunlichem Facettenreichtum deutlich.

Während die ersten beiden Stücke auf „Are You Falling In Love?“ hellen Jangle mit weit röhrender Verzerrung abwechseln und vermischen, verrauscht das folgende „So Natural“ auch noch Underwoods Stimme selbst, macht sie aber mühelos verständlich vor schmal zusammengestauchter Gitarre, Bass und Schlagzeug. „Totally Called“ bringt Schellen und Blechbläser ins Geschehen und drückt das Verstärkerpedal zum Finale ein paar glorreiche Sekunden lang bis zum Anschlag durch. Im Titelstück verschwimmen einzelne Anschläge gar völlig, werden ein purer Drone, in dem sanfteste Schmeichelstimme, Streicher und kontrastierende Feedbackfetzen baden.

Bis vielleicht auf den letzten sind das freilich alles keine frischen Ansätze, aber wenn man sich in die Genrekonventionen des Indiepop begibt, zählt vor allem gutes Songwriting. Und daran mangelt es Gold-Bears kaum, nahezu jedes Stück wurmt sich so eingängig wie schnell mit seiner Instrumental- oder Gesangsmelodie ins Ohr. Gerade wenn „All Those Years“ trotz hohem Energiepegel und munterer „Ba ba ba ba“-Gruppenvocals mal bloß nett wirkt, zieht es in unwiderstehliche Falsetthöhen ab, „East Station Attendant“ zögert clever den befreienden Refrain gleich komplett bis nach der zweiten Strophe heraus. Zwar werfen in dieser Art viele Songs gegen Ende eine Variation ein, dies aber jeweils so unterschiedlich, dass sich der Trick auf Dauer nicht zu sehr abnutzt.

Mit der Sprunghaftigkeit eines Mac McCaughan oder auch mal an einen höherstimmigen David Gedge erinnernd singt Underwoods etwas gewöhnungsbedürftige Stimme ein Wort immer wieder: „Tonight“ taucht mal direkt am Anfang, mal im Höhepunkt oder auch Titel der Songs auf. Passend, denn dies sind keine langen Erzählungen, dies ist Momentmusik. Dem Album deswegen ein großes Gesamtkonzept anzudichten wäre aber übertrieben, letztlich ist es auch eben das Albumformat, das „Are You Falling In Love?“ nicht ganz gelingen will. Zu inkonsistent ist die Produktion und das Arrangement der Tracks im Kurz/Lang/Kurz-Wechsel nutzt sich auf Dauer ab. Aber es dürfte schwer sein, dieses Jahr eine bessere Sammlung von Popsongs im Vollrausch zu finden. Selbst auf Slumberland Records.

77

Label: Slumberland

Referenzen: Black Tambourine, The Wedding Present, Talulah Gosh, Boyracer, The Pains Of Being Pure At Heart

Links: Homepage | Label | Soundcloud

VÖ: 17.05.2011

2 Kommentare zu “Gold-Bears – Are You Falling In Love?”

  1. […] Velocity Girl bis Pains Of Being Pure At Heart und in diesem Jahr vor allem auch den tollen Gold-Bears eindrucksvoll belegt. Zweitens bedeutet ”Twee” übersetzt ungefähr soviel wie […]

  2. […] Eingangsthese jetzt endgültig ad absurdum zu führen die amerikanischen Hochgeschwindigkeitspopper Gold-Bears) auszeichnete, war neben erstklassigem Songmaterial vor allem die Erkenntnis, dass auch Twee Pop […]

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