Austra – Feel It Break

Sehr geehrte Schuhstarrer, Haarmatten- und Rauschebartträger, Freunde von erdigen Rumpelschlagzeugen, Nölfolkfetischisten, Verzerrpedalmalträtierer und Lo-Fi-Jünger: Es wird Zeit, das Flanellhemd um zwei Knöpfe zu lösen, der bärigen Brustbehaarung ein wenig Luft zu verschaffen und die gröbsten Flöhe aus dem Haupthaar zu kämmen, um der pheromonbeladenen Laszivität dieses Trios aus Toronto standhaft und mit Manneskraft entgegenwirken zu können. Und überhaupt, wie wäre es mal mit etwas Frauenmusik?

Austra bereichern das aufkeimende Frühlingserwachen auf ihrem Debütalbum mit einem Potpourri dunkler Violetttöne, verführerischer Weiblichkeit und barockem Charme, stets getragen von Katie Stelmanis markantem Vibrato. Was auf der „The Beat And The Pulse“-EP nur angedeutet wurde, formt sich auf „Feel It Break“ nun auf ganzer Albumlänge zu elf düsteren Synthiepophymnen aus, die gleichsam Tanzbein und betrübte Seelen begeistern dürften. Austra verlangen vom Hörer weder Maßband noch Denkerpose, verschränkte Arme oder apathische Geistesabwesenheit, die nur Feedback-Gitarren und gutturales Rülpsen aus der Lethargie befreien können. „Feel It Break“ ist die kleine, heimliche Östrogenspritze, die den Hörer unter einem kaum vernehmbaren „Huch!“ in den Hintern piekst, die wiegende und lechzende Venusfliegenfalle ist und dann doch bloß gekonnter, lupenreiner Pop. (Florian Sekula)

Referenzen: Glasser, Fever Ray, The Knife, Florence & the Machine, Erasure

VÖ: 13.05.2011 | Label: Domino | Links: Homepage / Facebook

Acid House Kings – Music Sounds Better With You

Eine Genregröße im etwas eigenen Sinne stellen schon seit 1991 die Acid House Kings dar. Einem größeren Publikum wohl kaum bekannt, veröffentlichen diese überaus wohlerzogenen Schweden, die sich zum Teil auch für das überaus konsistente und geschmackssichere Labrador-Label verantwortlich zeigen, nun in immer größer werdenden Abständen ihre Alben mit geradezu klassischstem, frühlingshaftem Twee-Pop. Und auch „Music Sounds Better With You“, dem neuesten Streich der Stockholmer, merkt man die für das schnelllebige Musikgeschäft untypisch lange Zeit und die Leidenschaft an, die hier in die Produktion flossen.

Denn obwohl sich die Einflüsse der Band im Grunde auf ein paar Klassiker der Popmusik – Brian Wilson, The Beatles, ABBA und sagen wir mal The Smiths (nicht umsonst heißt ein Lied hier „Heaven Knows I Miss Him Now“) – herunterbrechen ließen, steckt das Geheimnis hier im Detail der überaus barock ausgeschmückten Arrangements. Ob nun die klappernden Kastagnetten (oder sind das Handclaps?) und jubilierenden Bläser in „Windshield“, die vorsichtig shoegazende Wall of Sound in „Under Water“ oder die omnipräsenten „Uhuuus“ und „Ahaaas“, die Acid House Kings wissen, wie man grundhübsche Songgerüste geschmackvoll ausstaffiert und in rosa Zuckerwatte packt. Für musikalische Diabetiker und Innovationsfanatiker mag das Gift sein. Alle anderen erfreuen sich aber ein weiteres Mal an einer Überdosis hoffnungsloser Romantik in einer besseren Welt und führen sich vor Augen, dass das abschätzige Gerede vom „naiv-idealistischen Gutmenschen“, wie ihn diese überfreundliche Art des Indiepop vielleicht repräsentiert, ja vor allem auch ein rhetorischer Kniff von Rechtspopulisten und ähnlichem Abschaum ist.(Bastian Heider)

Referenzen: The Mary Onettes, Camera Obscura, Voxtrot, Shout Out Louds, The Smiths

VÖ: 15.04.2011 | Label: Labrador | Links: Homepage / Facebook

Belzebong – Sonic Scapes & Weedy Grooves

Zwei Voraussetzungen müssen stimmen, damit dieses Album zum Genuss wird: Lautstärke und LAUTSTÄRKE. Die Bude muss wackeln, der dumpfe Bass muss noch im Nachbarsviertel zu spüren sein – erst dann hat man der physischen Wucht dieses Werkes ausreichend Genüge getan. Mehr hat diese polnische Doom-Stoner-Combo eigentlich auch nicht auf der Habenseite. Aber das genügt. Ebenso, dass eigentlich das ganze Album lang (vier Tracks) ein simpler, langsam wallender Riff in leichter Variation geprobt wird, der mit Nachdruck alles niederwalzt, was sich ihm in den Weg stellt. Mal sind es krude Stimmen aus dem Nebenzimmer, mal schneidende Metalgitarren, die einen aussichtslosen Kampf fechten. Die maximal tieftönenen Grummelbässe und –gitarren, der weedy-hypnotische Sog und der stete Groove sorgen jedoch dafür, dass diese instrumentale Rockplatte trotz ihrer märchenhaften Übersteigerung bestens funktioniert. Zumindest, wenn man die gelebte Verneinung von Ironie einfach ins Gegenteil verkehrt. (Markus Wiludda)

Referenzen: Stonehelm, Lord Of Doubts, Grails, Electric Wizard, Earth

VÖ: 20.04.2011 | Links: Facebook / Albumstream

The Leisure Society – Into The Murky Water

Schon auf ihrem Debüt war die Band im opulenten Segment zu Hause, auch auf dem Nachfolgewerk „Into The Murky Water“ dominiert ein Füllhorn der Üppigkeit. Durch die Streicherpassagen ergänzen The Leisure Society ihre Folksongs um das ausladende Element. Oft steht das den Songs sehr gut, die Pop-Arrangements erinnern mittlerweile stark an The Divine Comedy, ohne jedoch die eigene Identität zu verkaufen.

Dem Unterhaltungsfaktor kommen die verspielten Songstrukturen gut zu Pass, subsumieren lässt sich das Gehörte am Besten unter „stilvoller Anmut“. Im Ergebnis begibt sich die Band auf für sie bekanntes Terrain: Die Kultivierung eines Sounddesigns. Die opulenten Passagen werden zeitweilig durch brüchige Kargheit konterkariert. In diesen Momenten sind The Leisure Society ganz bei sich, es gelingen feinst gestrickte Miniaturen voll entrückter Schönheit. Mitunter nah am Kitsch changiert die
Platte zwischen leicht verträglicher Eingängigkeit und wahrem Gefühl. Im schönsten Song der Platte „I Should Forever Remain An Amateur“ gelingt der Band ein Klassiker, die Kinks-Hommage ist feinstes nostalgisches Schwelgen. Eine Platte, die idealerweise bei offenem Fenster und Morgensonne aufgelegt werden sollte. (Kai Wichelmann)

Referenzen: The Divine Comedy, Teenage Fanclub, Belle And Sebastian, The Kinks, The Delgados

VÖ: 06.05.2011 | Label: Full Time Hobby | Links: Homepage / Albumstream

2 Kommentare zu “Gehacktes! Aktuelle Alben im Schnellcheck”

  1. Lennart sagt:

    Bastian, sehr fein!

  2. […] es nicht verwunderlich, dass viele Videos der heutigen Rubrik von Platten stammen, die sich längst bewiesen haben und im Laden stehen – oder deren Songs seit Monaten als Single (wie im Falle Danger […]

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