Sie heißen Teungjai Bunpraruksa oder Rung Petchburi, der Bekannteste von ihnen Plearn Promdan. Wohl nur eine Handvoll Weltmusik-Nerds wird jetzt gerade überlegen wissend nicken, der Rest muss sich jedoch keineswegs fragen, welche neuen Trends man denn nun wieder verpasst hat. Die genannten Künstler stammen aus Thailand und ihre auf der großartigen Kompilation „Thai? Dai“ versammelten Songs aus den siebziger Jahren. Mehr Obskurität geht kaum, obwohl die vierzehn Titel durchaus zugänglicher tönen als man hier vielleicht vermutet.

Das britische Label Finders Keepers hat es sich zur Aufgabe gemacht, unentdeckte und skurrile Vinylpressungen aus dem Abraum der globalen Welt zusammenzutragen. Nun also Thailand, einem Land, über dessen musikalische Szene mal gemeinhin kaum Informationen erhält; überhaupt scheint der asiatische Raum mit Ausnahme von Japan sich wie eine hermetisch verriegelte Box gegen jegliche medialen Austausch zu stemmen. Oder anders herum: In unserer westlichen Welt gibt es keinen Bedarf, traditionelle und popkulturelle Klänge aus Asien zu beleuchten. Dass man dabei durchaus etwas verpasst, demonstriert dieser Sampler eindrucksvoll.

Beeinflusst von amerikanischer und europäischer Psychedelic-, Funk- und Surf-Musik, im Experiment mit den damals neu erhältlichen E-Gitarren und verbesserten Aufnahmetechniken ist „Thai? Dai!“ ein Abbild seiner Zeit. Gerade in den städtischen Szenen wird in den Siebzigern westlicher Musik Gehör geschenkt und versucht, diesen Klängen nachzueifern, was bisweilen durchaus ungewohnt klingt, wenn man in Landessprache singt und auch sonst noch sehr im sonoren-leiernden (für westliche Ohren) Klangkleid verhaftet ist und diese Hülle nicht abstreifen kann. Oder will. Es geht um das Ausprobieren, das Erleben von Freiheit – ein Gefühl, das parallel zu Militärputschen und politisch instabilen Zeiten sicherlich gerade in der Jugend aufkeimt. Dennoch: All diese Tracks sind kein repräsentatives Abbild der musikalischen Tradition Thailands. Sie sind bis auf wenige Titel Untergrundphänomene und selbst in ihrer Heimat nicht in Gänze zugänglich.

Entsprechend ist diese Auswahl gar nicht genug wertzuschätzen. Nicht bloß als musikalisches Dokument, sondern vor allem: Weil sie ungemein Spaß macht. Sroeng Santi eröffnet mit „Kuen Kuen Lueng Lueng“, einem basslastigen, abgehangenen Cover von Black Sabbaths „Iron Man“. Und der Groove hält an: Mit Trompeten und Gerassel geht es weiter, die Songs nehmen Fahrt auf, implementieren Funk und Rock und sind jederzeit abseitig verspielt. Klirrende Xylophone, leiernde Bläser und exotisches Flair wechseln sich ab, jederzeit überspielt von den thailändischen Stimmen, die wohl Gradmesser über „mögen“ und „nicht mögen“ sind.

Wobei sich die Frage eigentlich nicht stellt: Alleine der fantastische Western-Schlager „Ying Ting“ von Plearn Promdan hat so viel Charme und Güte, dass man Quentin Tarantino am liebsten eine Kopie dieser Aufnahmen zustecken möchte: Dieser immer leicht neben die Spur gefahrene, aber arschcoole Klang passt perfekt zu seinen Filmen, ist voller Gefahr und Dringlichkeit – selbst bei den niedlich verspulten Frauengesängen von Riem Daranois „Jai Ten“. Erst recht aber beim exotisch ausrastenden „Kanong Krung“. Diese Zusammenstellung ist ein absoluter Geheimtipp.

82

Label: Finders Keepers / Cherry Red

Links: Reinhören | Label

VÖ: 08.04.2011

3 Kommentare zu “Diverse – Thai? Dai! The Heavier Side Of The Lukthung Underground”

  1. Pascal Weiß sagt:

    Schräges Ding, gefällt mir richtig gut. Und ja, denke auch, dass Tarantino hier seine helle Freude haben wird.

  2. Lennart sagt:

    gestern abend war ich aus, ging in eine kneipe, dort legte man recht gute musik auf und ich wendete mich an den dj, um zu fragen, woher diese leicht eigene musik denn stamme, und dann war’s was von genau diesem sampler. gutes zeugs!

  3. […] Ball zu bleiben. Aber dafür sind diese Rückblicke schließlich da. Achja, da hätten wir ja noch diese irre Compilation, von der wirklich niemand die Finger lassen sollte. Heißer Scheiß – sagt zumindest der […]

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