Moritz Krämer live in Hamburg

Konzerte offenbaren nicht nur, wie gut ein Künstler seine Musik live rüberbringen kann, sondern immer auch ein bisschen etwas über seine Person. Gibt er sich authentisch, bewusst gekünstelt, redet er viel oder konzentriert er sich nur auf seine Musik? All das beeinflusst nicht nur, ob man ihn sympathisch findet, sondern auch, ob die Musik durch Kenntnis des Urhebers an Qualität gewinnt oder verliert.

Moritz Krämer gehört eher zu der stillen Fraktion. An diesem Sonntagabend beschränkt er sich auf ein schüchternes „Hallo“, viele demütige „Dankeschön“s und eine Geschichte über eine Exfreundin, die in Amerika ein neues Leben beginnen wollte, aber scheiterte (darum geht es in seinem Song „90 Minuten“). Sonst redet er hauptsächlich mit dem Knust-Besitzer, der die meiste Zeit des Konzertes neben der Bühne steht und die hamburgtypisch etwas verkrampfte Stimmung ab und an etwas auflockert. „Das ist Hamburg, die unterhalten sich nicht!“ klärt er Moritz Krämer während einer Stimmpause auf.

Livevideo von 2010

Musikalisch gibt es aber nichts auszusetzen. Der aus dem Schwarzwald (nein, nicht aus Berlin) stammende Sänger hat eine Band mitgebracht, die genauso verschroben aber auch sympathisch ist wie er selbst: Ein Schlagzeuger, der vom Aussehen her ein wenig an die Jungs von Revolverheld erinnert, ein eigenbrötlerischer Gitarrist und ein etwas schrulliger Bassist. Spielfreudig, aber mit wenig Raum für Soli werden sie Moritz Krämer an diesem Abend wortlos unauffällig begleiten. Die Songs selbst werden gegenüber der Platte nicht viel verändert gespielt, nur ab und zu gibt es Divergenzen. So lernt man zum Beispiel gegen Ende des Songs „Nachbarn“, wie viel Gefühl man in das Wort „Holzspielzeug“ legen kann, als Krämer dieses Wort anstatt des eigentlichen Endes „Wie fühlt sich das an?“ immer wieder wiederholt.

Krämer macht nie den Eindruck, nicht bei der Sache zu sein und singt seine Lieder absolut auf sich selbst konzentriert. Das tut der Intensität der Musik gut, aber dabei geht er auch wenig auf sein Publikum ein, nie blickt er in die Menge, vor einem leeren Saal würde er sein Set wahrscheinlich genauso eindringlich durchziehen. Neben allen Songs seiner Platte „Wir Können Nix Dafür“ spielt er auch ein paar Stücke, die es nicht auf das Album geschafft haben, vor allem am Ende des Abends. Da fällt es dann zum ersten Mal negativ auf, dass Moritz Krämer Konsonanten oft verschluckt und man so die Texte leider schlecht verstehen kann. Auch sonst vermögen die unbekannten Lieder nicht so zu überzeugen wie die anderen; Vielleicht wegen des fehlenden Textverständnisses, vielleicht, weil man die Stücke einfach öfter hören muss.

Wer geglaubt hatte, Moritz Krämer sei aufgesetzt und in seiner Musik stecke wenig Herzblut, wurde bei diesem Konzert vom Gegenteil überzeugt. Allerdings machte er auch ein wenig den Eindruck, als sei es ihm wie den Beatles am liebsten, wenn er einfach nur seine Platten machen könnte, ohne die dazugehörigen Konzerte. Wer seine Musik auf Tonträger nicht mag, wird auch durch ein Konzertbesuch nicht umgestimmt werden.

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