The Vaccines aus London haben es eilig. Nur ein Jahr bedurfte es von den Geheimtipp-Spalten der Blogs, über die Aufnahme des Debüts bis zur Veröffentlichung in diesen Tagen. Ihre Konzerte dauerten auf ihrer ersten Deutschlandtour 30 Minuten. Nur ihre Musik ist fast noch ein bisschen schneller. „Wreckin‘ Bar“ schleift zehn Sekunden die Gitarren an, stellt den Tempomat dann direkt auf 160 und nach gut einer Minute und zwanzig Sekunden, gefühlten acht Refrains und einem (natürlich xtrkrzn) Gitarrensolo ist der Spuk dann direkt wieder vorbei. Elf Songs in knapp einer halben Stunde Spielzeit – und dabei gönnen sie sich zwischendrin auch ihren Fingern ein paar Ruhephasen, nicht aber dem Melodie-Appeal.

Wer sich fragt, warum gerade zwar noch jede Menge „Mousse Au Chocolat“-Instantpulver im Supermarkt Regal steht, aber keine sofort zündenden Melodien mehr: Die gingen leider alle für „What Did You Expect From The Vaccines?“ drauf. „Wetsuit“ verheddert sich im Hymnischen, „If You Wanna“ ist nun auch keinen Deut schlechter als Mando Diaos Überhit „Dance With Somebody“ und Amanda „Nørgaard“ spart sich jeglichen Spannungsbogen und feiert einfach durch, bis der Kopf ebenso qualmt wie die Reifen, die beim Einlegen dieses Albums gleich unmerklich, aber dennoch stetig, schneller rollen. Und auch wenn es natürlich total prollig ist und erst recht stereotyp: Mit heruntergekurbeltem Fenstern an einem warmen Tag mit Vorfreude auf einen fantastischen Abend durch die letzten Funken der untergehenden Sonne zu rollen, macht mit diesem Debüt doppelten Spaß. Was natürlich auch der simplen Konzeption geschuldet ist: Jeder Song ausnahmslos ein Hit zum Mitsingen, euphorisch gestimmt und so unbekümmert unschuldig, dass man vielleicht sogar geneigt ist, das textliche Nullniveau ein bisschen in den Hinterkopf abzuschieben. The Vaccines, das ist da, wo die Gedanken an die Zukunft noch hinter der Horizontlinie verschwinden und jede Reflexion und Sprachgeschick radikal dem angenehmen Klang untergeordnet wird.

Musikalisch besteht das Werk aus der flockigen Adaption 2001er Garagensounds von The Strokes, bis hin zu den freundlich gewundenen Jesus & Mary Chain (ohne scharfe Kanten) und The Stone Roses. Das Ergebnis klingt professional austariert, ist trotz zu präsenter Stimme (die etwas an die Editors erinnert) immer noch vielfältig und druckvoll, ohne unter Bombast, Kitsch oder sonstiger Überlast zu leiden. „What Did You Expect From The Vaccines?“ ist schlussendlich genau das, was du draus machst: Mitfeiern, mitsingen, gutfühlen oder enttäuscht sein, als „zu mainstreamig“ etikettieren und die kurze Halbwertszeit bemängeln. Für den Moment kann man mit dieser Platte enormen Spaß haben, The Vaccines besetzen ohne Abzüge das Heute, ihre Herzen sind je zur Hälfte mit Jugendlichkeit und Biermixgetränk angefüllt.

70

Label: Columbia

Referenzen: The Strokes, Glasvegas, Stone Roses, Editors, Libertines, House Of Love

Links: Albumstream | Label

VÖ: 18.03.2011

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