Julianna BarwickThe Magic Place
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Referenzen:
Panda Bear, Grouper, High Places, Cocteau Twins, Motion Sickness of Time Travelling
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Autor: |
Constantin Ruecker |
Als im Januar 2007 Julianna Barwicks Debüt „Sanguine“ erschien, war ihr die Methode der endlos geloopten Gesangsharmonien nahezu eigen. Einzig Panda Bear arbeitete irgendwie ähnlich. In den darauf folgenden vier Jahren ist viel passiert, ganze Karrieren haben sich abgespielt, Musikstile sind aufgekommen und wieder verschwunden. Mancher Künstler schreibt nach vier Jahren zweifelhaften Ruhmes bereits an seinen Memoiren. Und Julianna Barwick? Lediglich eine EP hat sie in dieser Zeit veröffentlicht. Mit „The Magic Place“ verfolgt sie nun ihre musikalische Vision konsequent weiter und ist dem Erfolgsrezept ihres Debüts einfach treu geblieben, als wäre in all den Jahren nichts passiert.
Inzwischen ist Julianna Barwick bei Asthmatic Kitty, dem Label Sufjan Stevens‘, untergekommen, was nicht nur ein breiteres Publikum, sondern auch die saubere Produktion dieses Albums garantierte. Schon dadurch wirkt „The Magic Place“ sehr viel reifer als seine Vorgänger. Auch die Instrumentierung ist mittlerweile vielfältiger und die zarten Basslinien, Streicher und Pianotupfer fügen sich meist nahtlos in den vokalen Klangkosmos der Sängerin ein. Aber auch dieses Album lebt wieder besonders von Barwicks eindringlicher Stimme, die sich meist endlos übereinander geschichtet zu gewaltigen, schillernden Bergen auftürmt. Die Kompositionen lassen dabei an fragile, lichtdurchflutete Kathedralen denken, in denen man sich nur allzu leicht verlieren und verlaufen könnte. Nur langsam schälen sich dabei die versteckten Melodien heraus – liegen sie jedoch einmal frei, nehmen sie einen schnell gefangen und lassen einen weder kalt, noch wieder los.
Barwick leugnet bei ihrem Vorgehen ebenso wenig ihre musikalische Sozialisation in einem Kirchenchor in Louisiana, wie auch ihre heutige Wahlheimat Brooklyn. Somit scheinen in diesem Album regressive Momente ebenso omnipräsent, wie die progressiven Tendenzen der Musikszene der amerikanischen Ostküste. In dieser ureigenen Kombination ist dieses Album fast zu speziell um überhaupt Vergleiche zuzulassen. „Bob In Your Gait“ klingt dank seiner verzögerten Gitarre vielleicht irgendwie nach Grouper, „Prizewinning“ mit seiner starken Rhythmuskomponente eher nach den High Places. Andere Stücke erinnern vielmehr an die Cocteau Twins oder auch Motion Sickness Of Time Travelling. Jeder Vergleich ist dabei allerdings nur der hilflose Versuch nach etwas Unsichtbarem zu greifen, denn dieses Album lebt von seiner Stimmung und seiner Atmosphäre. Es ist magisch und verzaubert.
In diesem Umstand liegt gleichzeitig auch die größte der wenigen Schwächen dieses Albums. Wohin man auch hört, es regiert die Perfektion, der Wohlklang, das Sakrale, fast schon Übermenschliche. Und an dieser allgegenwärtigen Eintracht kann man sich durchaus stören. Fast möchte man sogar behaupten, Barwicks Musik stille vor allem unser Harmoniebedürfnis. Betrachtet man das Album gar mit etwas Abstand und bewahrt kritisches Denken trotz der Übermacht der Harmoniesucht, erscheint „The Magic Place“ fast schon als unendlich verkopftes und durchkomponiertes Werk, ohne Spontanität und Emotion. Letztlich geht in all diesem Wohlklang sogar unter, dass manche Lieder gar nicht so stark sind wie sie anfangs scheinen. Einige kommen nie wirklich zur Entfaltung, kommen nie über ein Anfangsstadium hinaus und drohen einfach am Ohr vorbeizuziehen ohne dass irgendetwas hängen bleibt.
Glücklicherweise ist dies jedoch die große Ausnahme. Und so stellt man sich zu guter Letzt nur noch die Frage, wohin die Reise Julianna Barwicks eigentlich noch führen soll. Mit ihren bewusst begrenzten Mitteln scheint es nur schwer vorstellbar, dass sie sich nicht irgendwann zu wiederholen beginnt, gar nur noch Variationen eigener Stücke abliefern könnte. Jedoch wäre es Julianna Barwick, aber auch uns allen zu wünschen, dass sie einen Ausweg aus diesem Dilemma findet. Auf diesen nächsten Schritt werden wir hoffentlich nicht erneut vier Jahre warten müssen.
Label: Asthmatic Kitty
Referenzen: Panda Bear, Grouper, High Places, Cocteau Twins, Motion Sickness of Time Travelling
Links: Homepage | Bandcamp | Label
VÖ: 15.04.2011
Walgesänge aus dem Wald.
Das Album ist ungewöhnlich, aber wer kann das bei welcher Gelegenheit wirklich am Stück hören?
Eine der nervigsten Platten des Jahres 2011 bis jetzt. Ich kann mir beim besten Willen die vielen guten Kritiken nicht erklären.
Also ich mag es sehr gern. Definitiv ein Album, auf das man sich erst einlassen muss. Ist auch kein Werk für jede Stimmung, sondern funktioniert nur in bestimmten Situationen. Dann aber richtig.
Da ich die gute Vinylscheibe endlich auch habe, kann ich nun sagen dass ich’s als das völlige Gegenteil von nervig oder anstrengend empfinde und bislang so ziemlich in jeder Lage gut hören konnte. Ich empfind’s auch nicht so sehr als Waldmusik, weil man schon die räumlichen Ränder noch spürt, eher wie minimalistische Kirchengesänge, inklusive des weiten Halls und der multiplizierten Stimmen. Oder auch Drones, bei denen die Stimme statt vibierender Saiten weit gedehnt werden.
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