Konzertbericht: Interpol in Hamburg

Braucht eine Band ein gutes Publikum, um ein gelungenes Konzert zu spielen? Normalerweise zeichnet ein gutes Konzert aus, dass der Funke von der Band direkt zum Publikum springt, dieses sich mitreißen lässt und sich Band und Zuschauer gegenseitig in den besten Momenten in Ekstase versetzen.

Als Interpol in Hamburg nach langem Warten die Bühne betraten, erbrach tosender Beifall. Nachdem sie den ersten Song gespielt hatten ebenfalls. Und so ging es den ganzen Abend, mal weniger, mal mehr euphorisch, mal wurden gar die ersten Töne des Lieblingssongs bejubelt. Aber dazwischen geschah im Publikum – nichts.

Steif, fast verkrampft hörte das Publikum zu. Ab und zu sah man ein verhaltenes Kopfnicken, einige Beine haben sich sicherlich auch zum Rhythmus bewegt, aber das war’s dann auch mit der Ausgelassenheit. Wer sich erhofft hatte, im Laufe des Konzertes unbemerkt in der Tanzbewegung der Menge an einen besseren Platz nach vorne zu kommen, musste hinten bleiben oder sich nach vorne drängeln, als nach dem vierten Song, dem euphorisch bejubeltem „Rest My Chemistry“ klar war, dass das heute kein Abend zum Tanzen werden sollte.

Woran mag das gelegen haben?

Sicher nicht an der Spielfreude der Band: Vor allem anfangs schafften sie es mit einem nahezu perfekten Sound, Musik von wahnsinnig intensivem Klang zu erzeugen. Ob es das Gitarrenspiel, der Basslauf, ein treibender Beat oder der Gesang Paul Banks ist, der einen dabei begeisterte, ließ sich nur selten sagen. Dass die Musik Interpols aber mitriss, stand außer Frage.

Eine bessere Erklärung könnte sein, dass es nicht die Tour zu „Antics“ oder dem großartigen „Our Love To Admire“ war, sondern die Tour zum umstrittenen selbetitelten Album vom letzten Jahr. Bezeichnend war das erst peinliche Schweigen und dann zögerliche Klatschen, als Paul Banks einen Song mit den folgenden Worten ansagte: „This song ist from our latest record…“. So richtig warm waren mit dem vierten Werk der Band nur wenige geworden, und diese wenigen fanden die alten Songs wohl doch noch besser. Dann wirkte es bestimmt nicht berauschend, sondern eher ernüchternd, wenn zu Anfang und in der Mitte eines Konzertes hauptsächliche diese neuen Songs gespielt wurden.

Aber Interpol waren zum Glück cool genug, sich davon nicht irritieren zu lassen. Souverän zogen sie ihre Setlist durch, Paul Banks beschränkte sich bei seinen Ansagen auf das Wort „Danke“, wie gewohnt gab es viel Nebel und Lichteffekte. Hits wie „Heinrich Maneuver“, „NYC“ oder „Slow Hands“ zu spielen, wurden nicht divenhaft verweigert und kein Wort über die „Ruhe“ des Publikums verloren. Besser hätten Interpol mit der Situation nicht umgehen können, den Zuschauern kein Wunschkonzert abzuliefern, sondern die Show zu zeigen, die die Band machen wollte, oder?

Wahrscheinlich nicht. Doch heißt sein Bestes gegeben haben nicht automatisch, dass man es gut gemacht hat. Interpol müssen sich für die Zukunft etwas einfallen lassen, das Publikum aus sich herauskommen zu lassen, denn nicht nur in Hamburg war eine solche Stimmung zu erleben. Aber es bleibt glücklicherweise festzuhalten, dass sich die Musik von Interpol auch so live genießen lässt.

4 Kommentare zu “Konzertbericht: Interpol in Hamburg”

  1. gehst du öfter in hamburg auf konzerte? da geht es meist eher verhalten zu, die größte euphorie erlebte ich bis jetzt bei einem bestuhlten wilco-konzert (alle stehen auf) und still flyin‘ in der prinzenbar… aber der im normalfall gibt’s keinerlei überschwang, nicht im „indie“-sektor jedenfalls.

  2. Jan Gerngross sagt:

    ja, tendenziell ist mir das auch schon aufgefallen. aber wenn sich die gelegenheit bietet, lockert hamburg schon auf. und da das denen schon mindstens schon einmal passiert ist, glaube ich auch nicht, dass es nur am hamburger publikum lag.

  3. mhm… ich glaube, bei anderen bands und auch in anderen locations wäre das eher passiert. auch finde ich es okay, wenn die leute zum tanzen in clubs und nicht zu konzerten gehen, mir ist es so jedenfalls angenehmer, wobei eine feine darbietung (flaming lips!!!) keinsfalls zu verachten ist, aber die bringt die band, nicht das publikum (-:

  4. Paul Kontek sagt:

    Das ist Interpol und nicht We are Scientists etc. Da muss kein ‚Funke‘ zum Publikum springen. Und OLTA war sicherlich nicht großartig. Interpol LP4 ist um einiges besser.

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