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Referenzen:
I Blame Coco, Florence & The Machine, Peter Björn & John / Metric, Love Is All, Bloc Party
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Autor: |
Bastian Heider |
„Zeiten ändern dich“, meinte jedenfalls einmal Deutschlands größter Honk-Rapper, um den es hier Gott sei Dank nicht weiter gehen soll. Mit dieser mehr als umständlichen und zugegebenermaßen recht dämlichen Einleitung gemeint sind nämlich zusammengenommern sechs junge Schwedinnen, die im Jahr 2008, AUFTOUREN war gerade geboren, zwei durchaus beachtliche Debütalben veröffentlichten, im Anschluss aber nicht ganz mit den ihnen verpassten Images zufrieden sein konnten. Als Frau im Pop-Geschäft wird man eben immer noch schnell in eine Ecke gestellt und als bloß „süß“ und nett will wirklich niemand gerne wahrgenommen werden. Nun, wieder fast zeitgleich, versucht man sich am Befreiungsschlag, ob als Solokünstlerin oder Band, jede auf ihre Weise, endlich raus aus der Niedlichkeitsfalle.
Als im Herbst 2008 Lykke Lis Debüt „Youth Novels“ das Licht der Welt erblickte, war damit nicht nur eines der besten Pop-Alben des Jahres geboren, sondern auch eine Art perfektes Indie-Pin-Up. Denn auch wenn Li im Gesicht sogar ein klein wenig aussah wie die damals noch kaum bekannte Lady Gaga, konnte sie im Nachhinein und ohne gefragt zu werden hervorragend als Gegenstück zu deren übersexualisiertem Wahnsinn positioniert werden. Ihr Pop und das Bild, das man von ihr hatte war freundlich, gewitzt und mit ein klein wenig authentischer Patina ausstaffiert, letztendlich aber auch ziemlich brav und harmlos. Schluss mit lustig, dachte sich die so Gebrandmarkte nun wohl selbst und kündigte großspurig an, dass das neue Album von unter anderem Edith Piaf, Patti Smith und Simone de Beauvoir beeinflusst sei. Hört man sich die Vorabsingle „Get Some“ an, in deren Video sich Lykke Li samt Tribal-Outfit als unnahbare Amazone in esoterisch-psychedelischem Ambiente inszeniert, fallen einem aber erstmal die wesentlich aktuelleren Yeasayer und Fever Ray ein, deren Afro-Einflüsse und dunkle Atmosphäre sie hier recht gelungen adaptiert.
Ein Hit ist das Teil mit seinen über eine straff gespannte Bassline balancierenden Djungle-Drums aber auf jeden Fall und Zeilen wie „I’m a prostitute, you gon get some“ hätte man vom einstigen „Fräuleinwunder“ bisher auch nicht unbedingt erwartet. Düsterer, bedeutungsschwerer soll es nun zugehen und der Auftakt des neuen Albums „Wounded Rhymes“ liegt dabei mit dem 60s-psychedelisch orgelndem „Youth Knows No Pain“ sowie dem ruhigeren, aber immer noch von Afrodrums getriebenen „I Follow Rivers“ ganz auf der Linie von „Get Some“. Vom knuffigen, etwas naiven Mädchenpop des Vorgängers bleibt bei all dem schamanischen Brimborium jedenfalls wenig übrig.
Das kann man vom Rest des Albums leider nicht immer behaupten, denn schon im dritten Song, der ziemlich dick auftragenden Ballade „Love Out Of Lust“ fällt Lykke wieder in ihre alte Rolle zurück, die sie dann im weiteren Verlauf viel zu selten verlässt. Im Midtempostück „Rich Kids Blues“ zeigt sie zwar noch einmal eine gute Portion Selbstironie, zu viele Songs auf diesem Album sind jedoch mal mehr, mal weniger gut gelungene Schmachtstücke, die dem zuvor groß angekündigten Akt der Selbstermächtigung eher im Wege stehen als ihn zu befeuern. Das macht unterm Strich immer noch ein überzeugendes Pop-Album, welches aktuelle Einflüsse wie Afrobeats und die furchteinflößende Düsternis einer Karin Dreijer Andersson kunstfertig in ein durchgängig eingängiges Format übersetzt, lässt aber ein wenig die nötige Konsequenz und letztendlich auch die Hits vermissen, die man sich von Miss Lykke Li im Voraus erhofft hatte.
Label: Warner
Referenzen: I Blame Coco, Florence & The Machine, Peter Björn & John, Bat For Lashes, Yeasayer, Fever Ray
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VÖ: 04.03.2011
Anders als Lykke Li konnten sich Those Dancing Days die zweifelhaften Reaktionen, die ihr Debütalbum „In Our Space Hero Suits“ nach Erscheinen provozierte, leider auch ein klein wenig selbst zuschreiben. Das soll keine Entschuldigung dafür sein, dass von einem Großteil der Rezipienten eher der Wuschelkopf von Sängerin Linnea Jönsson diskutiert wurde als die Musik, aber leider ließ ihr stylisches Indie-Amalgan aus Twee- und Synthiepop auf Albumlänge ein wenig die nötige Dringlichkeit vermissen um mehr zu sein als bloß die Hintergrundbeschallung für Stockholmer Hipstercafés.
Das war einmal, der Wuschelafro ist verschwunden und Those Dancing Days haben offensichtlich eine ganze Menge dazugelernt. Auf „Daydreams And Nightmares“ fügen sie ihrem immer noch ziemlich konventionellen SchwedInnenpop nämlich genau die Zutat hinzu, die man bisher so dringend vermisste: „Energie“ heißt das Zauberwort und entfaltet schon im von fiependen Synthies, zackigen Gitarren und (Vorsicht: Floskelalarm!) treibenden Drums befeuerten Opener „Reaching Forward“ seine volle Wirkung. Besser haben das Bloc Party seit ihrem Debütalbum auch nicht mehr hinbekommen. Was diese für für den Opener sind, sind die Arctic Monkeys wohl für die trotzige Vorabsingle „Fuckarias“. Diese bedient sich mit ihrem rüpelhaftem Gitarrenriff zwar ganz eindeutig bei deren größten Hit „I Bet You Look Good On The Dancefloor“, ist aber andererseits auch besser als alles, was diese seit eben jenem Song zustande bekommen haben. Quietschige Keyboards und die mit jeder Menge Wut im Bauch und, nunja, „Girl Power“ vorgetragenen Zeilen „You’re an uninvited clown / A foolish puppy with a too long tongue / You stumble and fall you’re the worst of them all / You’re in my space get out of my face“ hätten den englischen Milchbubis wahrscheinlich auch nicht so schlecht zu Gesicht gestanden.
Ebenfalls top und bereits der dritte große Hit des Albums ist die rasende Stalkerhymne „I Know Where You Live Pt.2“, die der Band außerdem noch einige Humor- und Sympathiepunkte extra einbringen sollte. Ein muckermäßiges Sonderlob (sowas hört man ja bei weiblichen Bands immer noch viel zu selten) geht dabei an Schlagzeugerin Cissi Efraimsson, die das Album verlässlich immer wieder zu neuen Höchstleistungen antreibt. Die gibt es hier zwar nicht gemäß der alten „All Killer, No Filler!“-Philosophie am laufenden Band. Für die Vorherschaft in der nach Hits darbenden Indiedisco dürfte es derzeit aber trotzdem locker reichen. Wo Lykke Li bei ihrem Befreiungsschlag, ohne wirklich zu enttäuschen, etwas den Blick fürs Wesentliche verliert, tun Those Dancing Days konsequent die einfachen Dinge und erreichen damit im Handumdrehen den benötigten Nachdruck.
Label: Wichita / Cooperative
Referenzen: The Pipettes, Metric, Love Is All, Bloc Party, The School, Camera Obscura, Maxïmo Park
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VÖ: 25.02.2011
schön, dass ihr das tolle drumming von cissi hervorhebt. ist schon irgendwie witzig, wenn man dieses kleine und leicht pummelige persönchen bei der arbeit zusieht :) bei live-mitschnitten sieht man aber, dass da wirklich großes talent dahintersteckt. wie sie zum beispiel bei fuckaries 3 minuten lang fehlerlos wie eine maschine auf ihr spielgerät einprügelt ist schon großes kino :)
mir sind allerdings etwas zu viele füller am neuen album. und ein wenig zu poppig kommt die produktion auch daher. mal sehen, ob ich dem album ne chance gebe.
ich höre gerade das those dancing days album, und ja, das schlagzeug ist gut, ansonsten muß ich aber sagen, dass ich die musik nicht mag, nicht mögen kann, da die stimme der sängerin laut meinem kleinen indieherz dort einfach nicht hingehört, dieses schörkelige, schluddrig-virtuose halbschmalsoulige… nein nein.
[…] mehr als ordentlich. Trotz einer sehr schlecht abgemischten Stimme verbreiteten sie mit ihrem leichten Indiepop gute Laune und spielten nebenbei noch sehr humorvoll damit, dass fünf Frauen auf der Bühne […]