AnajoDrei

Eigentlich wäre es nicht überraschend, wenn das dritte Studio-Album von Anajo keine Enttäuschung werden würde. Um wie Virginia Jetzt! oder Fertig, Los! dem Schlagerpop zu verfallen, wie man es erwarten könnte, dazu hat Anajo schon immer zu viel mit den Augen gezwinkert.

Ihr musikalisches Talent hat die Band nicht zuletzt bei der Zusammenarbeit mit einem Poporchester unter Beweis gestellt – und doch geht der Rezensent mit gedämpften Erwartungen in den ersten Hördurchgang. Zu seicht waren in der Vergangenheit manche Lieder geraten, das zuckersüße „Wenn du nur wüsstest“ schallt einem noch im Ohr. Die Gefahr ist hoch, dass Anajo ein weiteres Album aufnehmen, welches nach einem pubertären Freibadbesuch klingt: Blauer Himmel, beim Kiosk ein (Honigmelonen-)Eis kaufen und verstohlene Blicke auf den Schwarm aus der Parallelklasse werfen.

Doch allerspätestens beim zehnten Song „Sommer“ ist klar, dass Anajo genau darauf keine Lust mehr haben. Richtig erfrischend hämisch befreit sich Oliver Gottwald von allem, wofür Anajo früher den Soundtrack liefern konnten. „Suchen wie gestört nach einem schicken Urlaubsflirt / Knutschen und ficken wie sich das gehört / am Strand bei Sonnenuntergang.“ Fast in Tradition der Goldenen Zitronen kommt der Text daher, musikalisch aber bleibt sich die Band bei diesem Song treu.

Allerdings könnte man nach den drei eröffnenden Songs meinen, Anajo gingen nun andere Wege: Der Opener „Decke Auf Den Kopf“ behandelt mit einem Gitrarrenriff den Überdruss vom Selbstmitleid, in dem verspielten „Schattenkabinett“ klingt der Basslauf wie von den Strokes, während Gottwald in der Manier von Falko mit der deutsche Sprache spielt. Oder „Mädchenmusik“, sprühend vor Selbstironie, das mit allen Vorurteilen um Anajo ins Gericht geht, ist neben „Sommer“ aber der einzige Song, der offensichtlich dazu da ist, das alte Image zurechtzurücken. Anajo weichen der Gefahr, ihren Ruf zu bestätigen glücklicherweise nur selten mit Ironie aus. Denn wie in „Meine Wege“ wird dann doch wieder thematisch auf altbekannten Pfaden gewandert, das Pendant zu „Wenn Du Nur Wüsstest“ erzählt mit vielen „Hey“s und Hintergrundgesang von einem glücklichen Zusammentreffen. Auch die nächsten Songs handeln vom Verliebtsein, Freundschaft, Beziehungen – doch das alte Lied?

„Ich bin noch immer der alte, aber nicht mehr der Junge, der sich seiner zarten Zunge verbrennt.“ Diese Zeile aus „Schade um die schöne Fassade“ beschreibt die gereiften Anajo vielleicht am besten. Statt eine andere Richtung einzuschlagen und die Zielgruppe mit der Schlagerphobie zufriedenzustellen, macht Anajo weiter wie bisher, nur mit einem neuen Selbstbewusstsein, einem reiferen. Gute Songs hatten Anajo schon immer, nur sind diese auf „Drei“ in einer von der Band bislang nie gehörten Quote vorzufinden. „Halt mich fest“ ist einfachste Popmusik, während „Mann Auf Dem Mond“ das bisher ungewöhnlichste Stück von Anajo und sicherlich durch Tocotronics „K.O.O.K.“ inspiriert sein dürfte.

Ab und zu sind Anajo zwar noch immer zu verspielt und sollten den einen oder anderen Refrain nicht mit einem Hintergrundchor aufplustern. Aber in einer Sackgasse befinden sie sich eben nicht mehr, „Mann Auf Dem Mond“ und „Blaue Stunde“ zeigen, wie es weitergehen kann: Ruhige, anmutige, Atmosphäre aufbauende Melodien – Eleganz könnte die alte Hektik ersetzen. So haben sie mit „Drei“ weder enttäuscht noch überrascht, sie sind keine talentierte aber harmlose Popgruppe mehr. Es scheint ganz so als würden sie den nächsten Schritt schaffen. Man muss sich jetzt nicht mehr rechtfertigen, Anajo gut zu finden.

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Label: Tapete

Referenzen: Fertig, Los!, Virginia Jetzt!, Tele, Ja, Panik

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VÖ: 11.02.2011

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