
Christiane Rösinger ist älter geworden. Und einsamer, seit fünf Jahren war ihre Band Britta nicht mehr im Studio. Traurig und hoffnungslos – das war sie allerdings schon immer.
Aber zum Glück sind ihre Songs seit jeher klüger als die Sängerin selbst gewesen, denn an diesem Februarabend im Hamburger Uebel & Gefährlich wirkt die Künstlerin nicht energielos oder depressiv, sondern weiß sowohl das Publikum zum Schmunzeln zu bringen, als auch sich selbst – und nicht zuletzt Andreas Spechtl von Ja, Panik, der zu ihrem ersten Soloalbum einen erheblichen Teil beigetragen hat und hier und heute selbst am Keyboard mitwirkt. Wer einen ruhigen Abend mit Christiane Rösinger und Akustik-Gitarre erwartete, wurde nicht nur enttäuscht, sondern auch positiv überrascht: Neben Spechtl begleiteten sie ein Schlagzeuger und eine Gitarristin, Rösinger selbst konzentrierte sich allein auf ihre Stimme.
Eröffnet wurde der Abend mit „Sinnlos“, nach Christiane Rösinger auch gleichzeitig das Motto des Abends. Aber auch Desillusion, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit sollten, wie sie ankündigte, nicht zu kurz kommen. Das Rezept ihrer Musik ist dabei einfach: Tragikomische, pessimistische Texte, unterlegt mit fröhlicher Musik – Galgenhumor und Sarkasmus. Die inzwischen 50-Jährige illustrierte ihre Musik nahezu perfekt: Mit konsequent trauriger Miene (ausgenommen die Passagen zwischen den Songs) trug sie ihre Lieder vor, tanzte dabei ohne sich darum zu kümmern, wie albern es aussah und wusste mit ihren Ansagen, die vor trockenem Humor nur so sprühten, das Publikum wunderbar zu unterhalten.
Aber an diesem Abend ging es nicht nur um Traurigkeit, sondern auch um Traurigkeit auf Zeitreise. So spielte sie die „Pärchenlüge“ der Lassie Singers und den romantischen und für ihre Verhältnisse positiven Song „Mein Zukünftiger Ex-Freund“. Den Hauptanteil machten dennoch die Solo-Songs aus: Der Anti-Großstadt-Song „Berlin“ wurde vielleicht etwas zu sehr bejubelt (wir befanden uns immerhin in Hamburg), bei „Desillusion“ zögerlich mitgetanzt und bei dem tieftraurigen „Ich muss immer an dich denken“ mitgelitten. Dann ein kurzer Aufreger, als Rösinger bei „Berlin“ zusammen mit Zweitstimme Spechtl den Text vergaß und einen sympathischen Lachanfall beider heraufbeschwor. Doch dies sei kein Problem gewesen, der Song stehe in der Tradition des Wiener Liedes, wo es ganz normal sei, Strophen zu verändern oder auszulassen.
Das Publikum setzte sich derweil aus allen Altersklassen zusammen: Alte Lassie-Singers-Fans, Britta-Hörer und junge Gesichter, die womöglich durch die neue Platte angelockt wurden. Fast euphorisch forderten die Zuschauer wenig später die erste Zugabe, gar euphorischer und ausgelassener die zweite, bei der Spechtl und Rösinger nur noch zu zweit die Bühne betraten und nach einer kleinen Diskussion mit dem Publikum den Britta-Song „Wer Wird Millionär“ improvisierten – der jetzt doch noch mal auf die Bühne beorderte Schlagzeuger hatte den Song angeblich vorher noch nie gespielt. Zum Abschluss dann ein Leonard-Cohen-Cover, „One Of Us Cannot Be Wrong“, bei dem Spechtl bewies, wie tief seine Stimme doch sein kann, und mit dem die für Rösingers Geschmack augenscheinlich zu euphorische Stimmung wieder gemildert wurde.
Nach etwa 80 Minuten war dann ein kurzweiliges Konzert vorbei. Ein Abend, der nicht viel Hoffnung machte, was Hoffnung darauf macht, dass Christiane Rösinger die Alte bleiben und uns noch lange mit ihrem augenzwinkerndem Pessimismus bereichern wird. Diese Frau ist noch lange nicht müde. Aber vielleicht doch viel klüger als ihre Lieder.