Tu FawningHearts On Hold

„Wenn ein Song so anfängt, wird’s meistens richtig geil!“ – So oder so ähnlich war der Wortlaut meiner besten Freundin, der ich um Neujahr rum „The Felt Sense“ von Tu Fawning vorgespielt hatte. Was soll man dazu schon noch sagen, als höchstens: Sie hat Recht.

Denn was Tu Fawning, die sich aus Corinna Repp und Jon Haege sowie Toussaint Perrault und Liza Rietz zusammensetzen, sich für eine gute Dreiviertelstunde ausgedacht haben, ist atemberaubend, betörend und mitreißend zugleich. Abgesehen davon, dass jedes Mitglied mindestens zwei Instrumente beherrscht und auch keine Angst vor Vokalparts hat, ist die unterschiedliche musikalische Grundausbildung, die von psychedelischem Folk bis hin zu experimentiellem Jazz reicht, sowie der vorherige Werdegang bei Bands vom Schlage der 31Knots in jeder Sekunde zu spüren.

Wenn wie im krachenden und scheppernden „Sad Story“ Zirkusklavier, Mariachi-Trompeten und Voodootrommeln zu einem brodelnden Konglomerat verschmolzen werden, klopft das Herz und bleibt kein Auge trocken. Einem Drahtseilakt gleich setzt Repp hier einen Fuß vor den anderen, lässt sich von der vielschichtigen Instrumentierung nicht aus dem Takt bringen und wagt todesmutig den Sprung in die Tiefe. Dort aufgefangen von den warmen und harmonischen Klängen von „Apples And Oranges“ verneigt sich die Sängerin und zieht sich zumindest vokal in den Hintergrund zurück. Spätestens bei „Diamond In The Forest“ ist sie aber wieder da, lässt einem Chor die ersten Bühnenmomente, um dann gemeinsam ein furchtloses, wenn auch ziemlich vertracktes Shanty anzustimmen.

Überhaupt tauchen auf „Hearts On Hold“ so viele Momente auf, die nahezu unerwartbar scheinen. Exotische Gamelanklänge treffen auf blecherne Jazzkapriolen, wüste Indiegitarren auf elegante Vaudevillemomente. Manchmal fällt wie bei einem riskanten Zaubertrick oder einem scheinbar missglückten Feuerschluckversuch das Zusehen bzw. Zuhören schwer und dann erlöst es einen wieder, wenn sich alles so unwiderstehlich zusammenfügt und man glücklich ist, sich doch nicht die Ohren zugehalten zu haben.

Falls es einen roten Faden gibt, der „Hearts On Hold“ zusammenhält, dann ist es die Liebe zum Experiment mit der Musik. Die ersten grollenden Töne von „Multiply A House“, „The Felt Sense“, dessen Name Programm ist und jeden Synästhetiker in schiere Verzweiflung bringen würde oder auch das herrlich antiquiert mit Zirkusorgel eingeleitete und an den Waits’schen Klangkosmos erinnernde „I Know You Now“ legen hier Zeugnis ab. Es wird mehr als deutlich dass es eine nahezu bedingungslose Liebe ist, die Tu Fawning auf „Hearts On Hold“ anhand geben. So etwas bleibt, und auf diese Weise mag man es auch nicht als Drohung, sondern eher als prophetische Wahrnehmung empfinden, wenn Repp „ I Know You Now And I Won’t Forget You“ singt und sicherlich zahlreiche weitere Eindrücke für die Zukunft bereithält.

80

Label: City Slang (Universal)

Referenzen: Tom Waits, Björk, Stina Nordenstam, Phillip Boa & The Voodooclub, 31 Knots

Links: MySpace | Homepage

VÖ: 14.01.2011

Tu Fawning – The Felt Sense

Ein Kommentar zu “Rezension: Tu Fawning – Hearts On Hold”

  1. Bastian sagt:

    Mir fiele dazu das Label Math-/Prog-Folk ein. Falls es das nicht schon gibt, könnte das doch mal das neue große Ding werden :)

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