How To Pass The Time – Atlas Sound und die musikalische Erinnerung

Deren erster Teil fällt auffällig folkig, fast schon countryhaft aus, weniger wegen der Cover von Bob Dylan und von Kurt Viles „Freak Train“ als der omnipräsenten Mundharmonika, zudem schleicht sich nicht nur im von untraditionellem Synthesizer aufgemischten Highlight „Hotel Orlando“ ein gewisser Twang in Cox‘ Sechssaiter. Abgesehen vom glitchigen „Lantern“ und dem ein wenig an „He Would Have Laughed“ erinnernden „Afternoon Drive“ hält sich die Songsammlung in einer Kammermusik-Intimität, deren Ambiente Nebengeräusche am Gitarrenklangkörper nur verstärken.
Gemischter, wortkarger und auch länger gestaltet sich Vol. 2, das u.a. mit dem mindestens halben Deerhunter-Song „Strange Parade“ und den feinen Instrumentals „Pilot Light“, „Heatwave“, „Oceanview“ und „Autumn Intro Cascading Into University Courtyard“ aufwartet, die ebenso von Cox‘ Sicht auf die von beginnendem Herbst beeinflusste Umgebung inspiriert scheinen wie das Finale „Here Come The Trains“, welches so lange ausgedehnt jammend vorantuckert bis eben die titelgebenden Schienenfahrzeuge anrattern.
Prominent taucht die Mundharmonika gleich zu Beginn von Vol. 3 in „Mona Lisa“ auf, das so gut ist, dass es als Reprise am Ende erneut auftaucht. Mit Cox‘ 2 Gesangsspuren ist er hier quasi dreifach lungenaktiv, zugleich ist der Song einer der etwas selteneren in klassischer Strophe-Refrain-Struktur und somit einer der eingängigsten, weniger flüchtig wirkenden. Mit dem direkt folgenden, von sanft klatschendem Beat und Metallrasseln durchzogenen „Yard Of Silk“ wirkt die Songsammlung zumindest eingangs am (ein-)dringlichsten, Perkussionsexperimente wie „Drums & Pissing“ und „Moonroof“ relativieren dieses Bild jedoch. Nicht ohne Grund will Cox diese Werke nicht als Alben, sondern als Mixe verstanden wissen – und am gemischtesten von allen ist die vierte Ausgabe.
Was es eben umso erstaunlicher macht, dass sie innerhalb eines einzigen Tages entstand. Hier steht das von Vogelzwitschern durchzogene (und so ein wenig an Oneohtrix Point Never erinnernde) Synthambiente von „Farmland Fantasy“ neben dem Chipmunk-Dub „Wire Brush Stomp“, dem elektrisch rockigen „Talent Show“, dem zarten Royal-Trux-Cover „Spectre“ und den zumindest im Titel ebenso musikreferentiellen Glitzerwellen von „Moonlight On Verlaine“.
Das finale „How To Pass The Time“ macht dann entgegen seines Titels Indiz klar, dass Cox seine außergewöhnliche Produktivität nicht nur als Zeitvertreib ansieht. Für ihn ist Musik ein Dokument von Momenten und Perioden seines Lebens, seiner Umwelt und seiner Innenwelt, die im digitalen Äther, für alle verfügbar, länger überleben werden als seine eigenen Erinnerungen:
„When youth fades and it always does / you’ll wish you’d made something that was / filled up with the energy / that powered all your memories […] I shoved them out I shoved so hard / Trying to keep my empty heart / Beating long enough to see / There’s nothing in a memory“
„Bedroom Databank Vol. 1-4“ gibt es im Blog von Deerhunter und, abzüglich der Coversongs, beim Free Music Archive zum freien Download
[…] sind, aus der „Bedroom Databank“, wie der Name einer über sein Blog veröffentlichten Reihe an Alben ist, von Bradford Cox […]