Counterstrike, Nerds & ADHS: Beach House in Köln

Irgendwie steht man als Kölner echt an der Sonne – also jetzt mal abgesehen von den wöchentlichen Tragödien um den Fussballclub. Wie so häufig: Auf der Strecke überflutete Wiesen, so weit das Auge reicht. Einmal in der Domstadt angekommen von Regen keine Spur, gar richtig mild ist das Wetter an diesem Sonntagabend, so dass mich die Teamkollegen Felix und Sven in Begleitung von Leser Jannick gut gelaunt und mit sommerlicher Kleidung vor dem Gebäude 9 begrüßen. Ein erstes nettes Pläuschchen. Neben uns ragt der Tourbus von Beach House aus dem Dunkel, es plätschert kurz verdächtig unten raus, dann geht drinnen eine Tür. Nicht gerade unaufdringlich auch das Flackern des Monitors, „Counterstrike“ ist angesagt. Aber ohne Unterbrechung. „Was für Nerds“ hört man die Kollegen schon ulken, „ah, der cheatet bestimmt.“  Und kurze Zeit später glänzt man dann wieder mit lückenlosem Wissen über die neuesten Japan-Importe irgendwelcher Postrock-Bands. Was für Nerds, aber echt jetzt mal.

Der große Andrang, der vor einer halben Stunde noch herrschte, ist merklich abgeklungen. Ungewöhnlich, denn normalerweise füllt sich der Vorraum hier nicht vor halb zehn. Dieses Mal aber ist es schwer, überhaupt einen vernünftigen Platz in der Halle zu finden, als die Band mit zusätzlichem Schlagzeuger und Keyboarder/Bassisten live zu einem Quartett angewachsen die Bühne betritt. Hauptdarstellerin Victoria Legrand wirkt zwar leicht geschlaucht, die Stimme rauchig, der Stress des ständigen Tourens hängt nicht nur in ihren Haaren – ihr Charisma allerdings gefährdet dies zu keiner Zeit. In einem Interview vor einigen Monaten haben Beach House erklärt, dass sie irgendwann angefangen haben, live immer lauter zu werden und sich austoben zu wollen. Und tatsächlich: Insbesondere die Stücke ihres formidablen neuen Albums und gleichzeitigen Debüts für Sub Pop, „Teen Dream“, kommen live deutlich druckvoller, häufig mit linear ansteigender Intensität – das Siegel Dream Pop passt nur bedingt, nicht wenige tanzen oder tänzeln auch schon.

Manch eine(r) macht dabei allerdings keine gute Figur: Drei Meter weiter rechts vorn zum Beispiel starrt das mit dem 0,33er Beck’s schon hoffnungslos überforderte Mädel erst sehnsüchtig zur Bühne, dann um Blicke lechzend nach rechts und links, die Hand immer wieder am Herzen, dann ausgestreckt nach vorn, die Augen zwischendurch geschlossen, dazu auch noch diese künstlich emotionale Miene – nene, eher Blümchen als Beach House. Auch der rechts auf der Bühne positionierte Drummer passt mit seinem schwarzen Muskelshirt nicht so recht ins Bild, aber zumindest hat man jetzt den Counterstriker ausfindig gemacht. Insgesamt schaffen es lediglich vier Songs der ersten beiden Alben auf die Setlist, vom Debüt gibt es mit „Master Of None“ gar nur einen Kandidaten. Dafür wird „Teen Dream“ aber auch komplett durchgespielt.

Das eröffnende "Gila" vom Zweitwerk „Devotion“ klingt noch verhalten, aber mit „Better Times“ und dem fantastischen Duo „Walk In The Park“ und „Norway“ nimmt der Abend seinen Lauf. Die Band spielt wie erwartet auf den Punkt, ist selbst aber zwischendurch kaum noch ausfindig zu machen, denn der Raum ist zumeist in ein ziemliches Schwarz getaucht. Victoria genießt diesen Schutz offensichtlich, während sich der sympathische Alex Scally an der Gitarre nicht zwischen Sitzen und Stehen entscheiden kann, sich aber aufrichtig und entschlossen beim Publikum bedankt und selbst sehr erstaunt wirkt, dass es innerhalb kurzer Zeit einen so großen Zuschauerzuwachs gegeben hat. Bei ihrem ersten Köln-Gig vor gar nicht mal allzu langer Zeit, 2007 als Vorband von Arbouretum im spärlich besuchten Tsunami, sah das noch ganz anders aus. Nachdem das reguläre, zwölf Songs umfassende Set mit dem großartigen „Take Care“ sein Ende findet, kommen Legrand, Scally und ihre Mitstreiter für die beiden Zugaben „Real Love“ und „10 Mile Stereo“ unter für Kölner Verhältnisse fast schon ausgelassenem Jubel wieder zurück. Dann aber widmet man sich zügig wieder den wichtigen Dingen. Im Tourbus.

Vielen Dank an dieser Stelle an Lara Bechauf für die Bereitstellung der Bilder.

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