Bostro Pesopeo und der Zitronenbaum

Manchmal sitzt Peter Freudenthaler an der Bar und kann es nicht fassen. Kann nicht begreifen, dass seine Band, wohin er auch geht, immer auf diesen einen Song reduziert wird. Die Mehrheit hat die anderen nicht einmal angehört. Aber immerhin: Diesen einen hat sie gehört, besonders oft sogar, und das hat Fools Garden, so frustrierend sich die Begleitumstände ihres Einmal-Erfolgs auch anfühlen mögen, bis heute ihr Einkommen gesichert. Bostro Pesopeo muss gar damit leben, dass ihm das eines Tages zum Verhängnis werden könnte, eigentlich müssen das alle, die in ihren Intros gern mit Pizzicato-Strings experimentieren, diese Idee ist leider ein für alle Mal verwirkt. „0000“ von seiner EP „Anantes“ ist so ein Song, der es daher einstweilen ziemlich schwer hat in den ersten Sekunden. Vier von zehn sind erst gelangweilt und dann dagegen, weitere vier lehnen sich wissend zurück und lächeln, einer springt auf und brüllt wahlweise „Alt!“ oder „Geklaut!“ – und einer ist froh, dass Pesopeo das gerade nicht mitbekommen hat. Das Leben ist kein Ponyhof. Schon gar nicht für Musiker.
Diese Szenen zusammengenommen sorgen einerseits dafür, dass Bostro Pesopeo bis heute keiner so richtig kennt: Textverarbeitungen degradieren ihn treffsicher zum französischen „Bistro“, und der interessierte Historiker verbindet den Namen am ehesten mit dem nicht weniger französischen Hersteller Soriano-Pedroso, der in den 20er Jahren mal Autos gebaut hat. Andererseits lässt sich die Notwendigkeit eines Künstlerpseudonyms bei einem derart unspektakulären Realnamen wie Florian Peter keineswegs abstreiten, alldieweil er sich auch schon als Überschalle in der deutschen Musikerszene versucht hat – was wiederum deutliche Rückschlüsse auf die tatsächliche Zeit zulässt, die er bis jetzt dem Produzieren gewidmet hat: Gut drei Jahre lang findet man ihn unter seinem jetzigen Namen schon im Netz, eine Zeitspanne, in der manch anderer schon vom Major weggekauft, wenn nicht ausgebeutet und wieder auf die Straße gesetzt wurde. Siehe erster Absatz, letzte Zeile.
„0000“ schwimmt im Strom der Elektropop-Klassik-Verbindung mit, für den Aufgang seinerzeit so viel Aufmerksamkeit und größtenteils auch Anerkennung geerntet haben. Die Kombination an sich ist weniger eine von der Sorte, auf die man erst mal kommen muss, denn eine, auf die vorher einfach noch keiner gekommen war; man nehme Beats und vermische sie mit genretypischen Instrumenten. Vertreter unter anderem des Tropical allerdings hat es einigermaßen nervös gemacht, dass ausgedient geglaubte Klangfarben wie die des Klaviers plötzlich wieder für Neues zu gebrauchen waren. Davon abgesehen ist Pesopeo insgesamt deutlich synthetischer, aber nicht trivialer, denn während Lebensmittelhersteller erst per Gesetz dazu gezwungen werden müssen, legt Pesopeo stets die zu erwartende Mischung offen – so viel zum Kleingedruckten auf der Packungsrückseite. Dass nun ausgerechnet das nicht zum Aha-Effekt führt, hat nur damit zu tun, dass Aufgang eben bis heute auch keine Fußballstadien füllen.
Das Gefühl, etwas schon mal gehört zu haben, hält sich bei „0000“ ohnehin nur so lange, bis man nach ungefähr der Hälfte der Spielzeit endlich das Prinzip begriffen hat – Steigerung, oder: Man nehme ein Instrument und füge ein weiteres hinzu. Und dann noch eins. Und noch eins. Und noch eins. Mit Sicherheit hat auch das jemand ziemlich bekanntes vorher schon mal gemacht. Die Frage ist nur, warum das eigentlich was Schlechtes sein soll. Solange das Ergebnis stimmt, ist mit Sitzenbleiben und Frohsein allen Beteiligten noch eher geholfen als mit Aufspringen und „Alt!“-brüllen. Merke: Wenn der letzte Erfolg 15 Jahre her ist, wird es Zeit, Peter Freudenthaler von der Bar wegzuholen. Und ihm zu erklären, dass es seitdem schwer geworden ist, Original und Fälschung auseinander zu halten. Wörterbücher lernen dazu. Menschen nicht. Wer das nicht glaubt, kann ja gern mal die Autokorrektur auf „Fools Garden“ loslassen. (Stephan Kleiber)
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